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Eine neue politische Kraft?: Die AfD als Konkurrenten ernst nehmen

Die AfD sitzt nun erstmals in einem deutschen Landtag. Das Rezept des Ignorierens ist nicht aufgegangen. Die anderen Parteien können sich nicht mehr darauf beschränken, die Partei zu boykottieren. Sie müssen besser sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fabian Leber

Was würde ein Unternehmer machen, wenn er merkt, dass ein Konkurrent auf den Markt drängt? Würde er sich damit begnügen, das Erzeugnis des Wettbewerbers schlecht zu reden? Oder würde er nicht auch versuchen, das eigene Produkt daraufhin zu prüfen, ob es noch den Wünschen der Kundschaft entspricht?

Nun ist die Politik nicht einfach ein Markt, auf dem x-beliebige Waren gehandelt werden. Hier geht es um Glaubwürdigkeit und Personen. Und auch um Ressentiments und Stimmungen, die sich im schlimmsten Fall verselbstständigen können. Der politische Markt, wie wir ihn kennen, ist aber auch ein geschlossener Raum. Die Letzten, die sich in Deutschland einen Stammplatz erkämpfen konnten, waren die Grünen. Die Konkurrenz vertraut am liebsten darauf, dass neue Geschäftsmodelle nicht nachhaltig sind. Wie zuletzt bei der Piratenpartei.

Der Fall der „Alternative für Deutschland“ ist anders gelagert. Hier wurde zuerst eine Marktlücke entdeckt und dann das Produkt dazu entworfen. Work in progress könnte man dies nennen – würde laut sächsischem Wahlprogramm aus AfD-Sicht nicht der Gebrauch der „natürlich gewachsenen Muttersprache“ das Maß der Dinge sein. Es wäre nur gut, wenn die selbst ernannte „konservative Volkspartei“ sich in einem harten inhaltlichen Wettbewerb behaupten müsste. Wenn sie zum Beispiel Farbe bekennen müsste, was ihr Konzept der Zuwanderungspolitik in der alltäglichen Praxis bedeutet. Haarklein will die AfD zwischen „wirklich Verfolgten“ unterscheiden, innerparteilich oft als „Asylanten“ bezeichnet, und „nützlichen Einwanderern“, denen je nach Bedarf Einlass gewährt werden soll. Als ob das so einfach zu unterscheiden wäre. Oder sie beklagt die angeblich kriminalitätsfördernde Wirkung „offener Grenzen“ – ohne zu sagen, wo und wie sie diese schließen will.

Das Produkt AfD hat eine Vielzahl an Macken und Funktionsproblemen. Abnehmer findet es trotzdem. Sehnen sich manche einfach nach dem ausrangierten Auslaufmodell – ganz so wie nach der alten Glühbirne, die die AfD seit einiger Zeit in ihrem Internetshop vertreibt? Es mag sein, dass es vor allem eine diffuse und uneinlösbare Sehnsucht nach guten alten Zeiten ist, die hier nachgefragt wird. Auf die eine Politik, die sich im Zeitalter des Sachzwangs wähnt, auch nach Monaten nicht zu reagieren weiß.

Die AfD ist ausgesprochen lernfähig

Umso wichtiger aber wäre es, die Alternativen aufseiten der „Altparteien“ deutlich zu machen. Als es nur um den Euro ging, da wäre die Gründung der neuen Partei wohl noch mit recht einfachen Mitteln zu verhindern gewesen. Zumindest die widersprüchliche Konstruktion des Euro hätte diskutiert werden werden können – ohne ihn komplett zu opfern oder jede Kritik gleich als Abfall vom richtigen Glauben zu diskreditieren.

Inzwischen aber ist der Geist aus der Flasche entwichen. Und die AfD hat sich als durchaus lernfähiger Organismus erwiesen. Der oft erhobene Rechtsextremismus-Vorwurf wird mittlerweile mit trotziger Gelassenheit gesehen. Man profitiert von dem Eindruck, einem politischen Underdog werde hier mit unfairen Mittel zugesetzt – weil die AfD mit offenem Visier antrete, während die anderen sich nicht einmal in den Kampf trauen.

Ein Boykott der AfD in der politischen Auseinandersetzung, wie Unionsfraktionschef Volker Kauder ihn nach der Europawahl gefordert hatte, ist deshalb das Letzte, was nun notwendig ist. Erst wer die AfD als Konkurrenz ernst nimmt, wird ihr gefährlich werden können.

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