zum Hauptinhalt

Frauen und Politik: Eine Verwechslung

Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann bilden zusammen eine Regierung auf Landesebene, der letzten Bastion der politischen Vaterfiguren. Das Land reibt sich verwundert die Augen.

Von Anna Sauerbrey

Ja, sapperlot. Das politische Deutschland rieb sich die Augen, als wären Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann wie Kasperinnen aus der Kiste gesprungen. Da bilden zwei Frauen zusammen eine Regierung und berufen auch noch vier weitere Ministerinnen ins Kabinett. Und das auf Landesebene, der letzten Bastion der politischen Vaterfiguren. Doch nach dem Augenreiben war sich Deutschland schnell einig: Wir finden das gut, richtig gut sogar.

Denn wenn einer eine Minderheitsregierung wuppen kann, dann ja wohl eine – eine Frau also, oder noch besser: zwei. Peer Steinbrück überlegte vor laufender Kamera, dass die beiden wahrscheinlich „besser miteinander klarkommen, weil sie anders als wir Männer kommunizieren“. Endlich, so der Tenor in vielen Medien, könne sich das „weibliche Prinzip“ bewähren. Endlich sind sie weg, die „Alphamänner“ und ihre testosterongetriebenen Machtkämpfe. Holt die Teddys raus, liebe Menschen an Rhein und Ruhr. Bei euch darf jetzt gekuschelt werden. Frauen sind die besseren Männer.

Sind sie das? Ganz so neu sind Frauen in der Politik nicht – anders als in Dax-Vorständen. Seit Elisabeth Schwarzhaupt 1961 als erste Bundesministerin vereidigt worden ist, haben Frauen in Kabinetten und Parlamenten Boden gutgemacht. Dem aktuellen Kabinett gehören neben Angela Merkel fünf Ministerinnen an, in der großen Koalition und im Kabinett von Gerhard Schröder waren es sechs. Die Zahl der weiblichen Bundestagsabgeordneten liegt bei einem Drittel. Das ist nicht genug, aber genug, um theoretisch stilprägend zu sein.

Steht deshalb auf dem Kabinettstisch ein selbst gebackener Friede-Freude-Eierkuchen? Ist Angela Merkel der große Kommunikator, der sie qua Geschlecht sein müsste? Wohl kaum. Viele Frauen, die in politische Spitzenpositionen gelangt sind, sind durch dieselbe Schule gegangen wie ihre männlichen Mitstreiter. Sie haben sich auf Kreisebene gegen Konkurrenten durchgesetzt, auf Parteitagen taktiert, harte Einschnitte im Privatleben gemacht. Sie brauchten Härte, Offensive, Willen und Durchsetzungsstärke. Und auch ihre Politik ist nicht anders. Man muss gar nicht immer an Margaret Thatcher erinnern. Es waren die Ministerinnen Kristina Schröder und Ursula von der Leyen, die beim Spargipfel der Bundesregierung hätten eingreifen können, als ihre Kabinettskollegen das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger strichen. Taten sie aber nicht. Keine Extras für alleinerziehende Mütter ohne Arbeit. Basta.

Die Idee, dass Frauen die besseren Menschen seien, gehört zum Ideenfundus des frühen Feminismus. Überhöht durch Esoterik und Naturromantik wurde der Traum vom Matriarchat beschworen, die Leben spendende Mutter Erde mit der gebärenden Frau gleichgesetzt. Unter ihrer „Frauschaft“ würde sich alles zum Guten wenden. So weit die These. In der aktuellen Debatte um das NRW-Duo wurde der Kampfbegriff vom „Matriarchat“ zwar durch „Feminat“ ersetzt. Doch die Verwechslung von Frau und besserer Mensch ist geblieben.

Ist das Zufall? Bisweilen wünschen sich die Wähler eine andere, weniger machtbewusste Politik. Hannelore Kraft versteht es, diesen Wunsch zu bedienen. Auf ihrer Homepage findet sich ein Bild, „Mit meiner Familie im Urlaub“ lautet die Unterschrift. Mann, Sohn, Golden Retriever. Mutter Kraft in der Mitte. Da wirkt der nebenstehende Lebenslauf, der sie als hoch qualifizierte Strategin ausweist, respekteinfordernder (Ökonomiestudium, Auslandsaufenthalt, Bankenpraktika, Unternehmensberaterin).

Und noch etwas stört an der Debatte über das NRW-Frauen-Duo. Wann immer eine benachteiligte Gruppe nach oben kommen soll, wird gefragt, ob und wie sie nützlich sein kann. Migranten sollen gefördert werden, weil sie etwas mitbringen, das die, die schon da sind, nicht haben: eine Außenperspektive, kulturelle Intelligenz, Arabischkenntnisse. Derselbe Tenor findet sich beim Thema Frauenförderung. Doch Frauen sind nicht die besseren Männer. Sie müssen es auch nicht sein. Sie sind so gut oder schlecht wie Männer, und das ist ihr Recht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false