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Einheit 21: Vertrauen auf der Kippe

Das Einheitsdenkmal sollte eigentlich für die Bürger da sein. Doch man hat sie übergangen. Das rächt sich jetzt. Der Kulturstaatsminister muss sich allerlei Spott und Wortspiele anhören.

Als hätte es alle guten Worte über die Notwendigkeit von mehr Bürgerbeteiligung nicht gegeben, knallt der Kulturstaatsminister im Auftrag des Bundestags dem Volk ein Denkmal auf den Schlossplatz. Sein Denkmal. Als wäre das Vertrauen zwischen Politik und Bürgern nicht schon genug gestört, als stünde ihr Verhältnis nicht längst auf der Kippe, werden die Bürger sogar dort übergangen, wo es allein um sie geht.

Manch einer mag gute Gründe finden für genau dieses Denkmal an genau diesem Platz, mag es schön finden oder auch stimmig, passend zur Geschichte, zur Verfassung von Gesellschaft und Politik, ehrlich, ironisch oder naiv. Man kann es aber auch ganz anders sehen. Und wie die Diskussion in den Feuilletons und Salons der Republik zeigt, sehen es nicht wenige tatsächlich ganz anders: mal wortspielerisch, die formale Einladung der Bürgerwippe annehmend vom Verschaukeln sprechend, mal ernsthaft politisch, dass Art und Ort den turbulenten Tagen im Herbst ’89 nicht gerecht würden.

Der Weg zum Denkmal ist exklusiv: Nur einmal wurden die Wettbewerbsfinalisten im Gropius-Bau ausgestellt. Da hatten Auslober und Jury das Verfahren längst chaotisiert, inhaltlich wie zeitlich. Das öffentliche Interesse am Ausgang war indes mäßig; viele fanden nicht mal den Eingang. Das inzwischen veränderte Siegermodell steht heute abgeschirmt vom Volk, für das es doch eigentlich stehen soll, in einem Bundestagsgebäude, Zugang nur für Auserwählte. Allen anderen müssen vier Grafiken und ein paar Worte reichen, mehr gibt es nicht. Aber Widerspruch wäre ja ohnehin vergebens, die Entscheidung ist längst gefallen, durchgesetzt vom Kulturstaatsminister, dem Mann, der von Amts wegen weiß, wie das deutsche Volk eine seiner größten historischen Stunden zu erinnern hat.

In einem höhnischen Kontrast zur obrigkeitsstaatlichen Anmaßung steht der Name des Werks, „Bürger in Bewegung“. So sieht ein Politiker also „die Menschen“, von denen er gerne spricht, als gehöre er nicht dazu: Eine Wippe dürfen sie bewegen, aber nur, wenn der TÜV es erlaubt. Und damit nichts passiert, wird die Wippe eingezäunt, streng nach DIN. Es lebe die Freiheit! – im Rahmen der öffentlichen Grundordnung, wie die Politik sie versteht. Was für eine Symbolik. Und das soll ein Revolutionsdenkmal sein? Als ein solches verstehen es aber die Initiatoren vom Verein „Deutsche Gesellschaft“. Die legen gleich verbindlich für alle „die Kernsätze der friedlichen Revolution“ fest: „Wir sind das Volk – wir sind ein Volk“. So soll es dann auch groß auf der Einheitswippe stehen. Was das Volk dazu sagt? Keine Ahnung. Ist wohl egal.

Zur jeder Kunst gehört, dass sie nicht jedem gefällt und der eine dies, der andere das darin erkennt. Die Künstler des Einheitsdenkmals helfen gerne beim Assoziieren: Einen Flügel könne man erkennen, sagen sie, auch ein Blatt, ein Boot, eine geöffnete Hand. Wer sich so offen für alles Mögliche zeigt, darf sich nicht wundern, wenn in der Form auch eine Anspielung auf die heimlichen Helden jedes Einheitsvolksfestes seit 1990 zu erkennen sind, Currywurst und Chinapfanne. Geschmackssache. Aber auch die gehören ja zu Deutschland. Nur ob ihnen eben dort und genau so gehuldigt werden soll, wie es der Kulturstaatsminister wünscht, das ist die Frage – ans Volk. Das bisherige Verfahren ignoriert das komplett, und das ist keine Ironie der Geschichte, sondern ihr Fehler.

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