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Verboten ist die FDJ-Ost nicht. Aber das Symbol der Freien Deutschen Jugend war in Ost und West zum Verwechseln ähnlich. Ist das Tragen nun illegal und strafbar?

© dpa

EinSPRUCH: Scheinproblem DDR

Das FDJ-Verbot im Westen hat sich so erübrigt, wie sich die FDJ Ost erübrigt hat. Aufheben kann man es dennoch nicht, weil dann eine DDR-Bewältigungsdiskussion losbricht

Ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Mauer eskaliert – mal wieder – der Streit um die richtige Deutung der DDR. Schauplatz ist diesmal das Amtsgericht Berlin. Dort müssen sich jetzt zwei Männer verantworten, von denen der eine zur Wendezeit in der Pubertät steckte, der andere möglicherweise noch in den Windeln. Zum Gedenktag des Mauerbaus meinten sie, an der Mauergedenkstätte Bernauer Straße gegen Militäreinsätze der Bundeswehr demonstrieren zu müssen. Wobei ihnen wichtig erschien, dabei Blauhemden der DDR-Jugendorganisation FDJ anzulegen. Samt Sonnen-Symbol, weshalb man ihnen nun das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorwirft. Ein schwieriger Fall, heißt es, weil nur die FDJ im Westen verboten worden war, die FDJ im Osten jedoch auch nach der Wiedervereinigung nicht, und sich beide Symbole zum Verwechseln ähnlich sehen. Doch es ist ein klarer Fall. Im Zuge seines Kampfes gegen Rechts in den 90er Jahren hatte der Gesetzgeber das Strafrecht verschärft. Es sollte eben nicht nur das Hakenkreuz erfassen, sondern auch alles, was einem Hakenkreuz gleicht. Pech für die Sonnen und ihre Anbeter. Ost und West wuchsen zusammen, in Sachen FDJ-Verbot jedoch blieb Deutschland getrennt und die Sonnen scheinen für alle ähnlich. Zu ähnlich. Auch ein anderer Ausweg sollte den beiden genommen sein. Vielfach sehen Strafverfolger keinen Grund zur Anklage, weil die FDJ-Sonne mehr der Selbstinszenierung dient als politischem Aktivismus. Das Blauhemd als Coolnessfaktor oder Accessoire auf Ostalgiepartys sollte kein Anlass sein, Staatsanwälte zu bemühen. Manche wissen schlicht nicht, dass sie ein strafbares Abzeichen tragen. Auch deshalb werden Verfahren eingestellt.

Nicht zuletzt heißt es bei diesem Tatbestand ausdrücklich, das Gericht könne bei geringer Schuld von Strafe absehen. Die Angeklagten dagegen sind Überzeugungstäter und glauben, mit einem solchen Prozess irgendwie mehr Freiheit für die Freie Deutsche Jugend gewinnen zu können. Sie wissen um die Strafbarkeit, aber es schert sie nicht. Ihre FDJ ist nicht verboten, also könne es auch nicht verboten sein, ihre Symbole zu tragen. Ein Fehlschluss aus Prinzip, daher kann es auch kein rechtliches Pardon dafür geben. Höchstens einen netten Richter. Die Absurdität des Prozesses hat ihren Ursprung gleichwohl nicht im Recht, sondern in der Politik. Das FDJ-Verbot im Westen, verhängt in Zeiten von Kommunistenhatz und Kaltem Krieg, hat sich so erübrigt, wie die FDJ Ost sich erübrigt hat. Aufheben kann man es dennoch nicht, weil dann eine DDR-Bewältigungsdiskussion losbricht. Dafür ist das Sonnenscheinproblem nicht wichtig genug. Aber ist es dann wichtig genug für Strafe? Hier liegt das Dilemma. Ein Gericht kann es nicht lösen.

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