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Barbara John war von 1981 bis 2003 Ausländerbeauftragte des Berliner Senats.

© TSP

Ein Zwischenruf zu …: … billigen T-Shirts

Wenn Näherinnen in Bangladesch bei Unfällen ums Leben kommen, schwören viele bei uns: Ab sofort keine Billigstware mehr! Doch ein Kaufboykott würde alles nur noch schlimmer machen.

Für den Billigjob sterben. In Bangladesch ist das ein tägliches Risiko. Für mehr als tausend Arbeiterinnen hat sich dieses Menetekel im April dieses Jahres wieder erfüllt. Sie starben in den Trümmern eines zusammengesackten achtstöckigen Fabrikgebäudes in einem Vorort der Hauptstadt Dakka, kurz nach Arbeitsbeginn. Weitere zweitausend wurden schwer verletzt geborgen.

Nach den Ursachen musste nicht lange geforscht werden: Bestechung hatte verhindert, elementare Sicherheitsvorschriften beim Bau und Betrieb zu beachten. Für den Finanzminister Abdul Muhith war dennoch die voraussehbare Katastrophe nur ein Unfall. Passiert halt mal. Doch sechs Monate zuvor schon brannte eine Fabrik ab, auch in Dakka. Einhundertzwölf Billiglöhner verloren damals ihr Leben.

Nun fragen wir, die Käufer von Niedrigpreis-Produkten, ob wir nicht eine indirekte Mitschuld haben durch unsere Jagd auf Textilien zu Spottpreisen: Schuhe, Hosen, T-Shirts für fünf bis sechs Euro und allerlei Schnickschnack (Gadgets) wie Stofftiere. Kaufen, wegwerfen, neue kaufen. Kostet weniger als ein Mittagessen. Schluss damit! Ab sofort keine Billigstware mehr! Besser das Drei- bis Vierfache bezahlen, und schon können wir uns in Unschuld kleiden? Eine Milchmädchenrechnung, begründet durch Empörung. Die muss zwar sein, nur ändert ein Kaufboykott gar nichts.

Im Gegenteil: Der macht die ohnehin schon verarmten Näherinnen nur noch schwächer. Bangladesch ist weltweit die Nummer drei in der Textilausfuhr, nach China und Italien. Millionen Frauen aus ländlichen Regionen verdienen hier eigenes Geld, ein bisher unbekanntes Gefühl von Unabhängigkeit. Sie brauchen gerade jetzt Unterstützung. Etwa bei der Bildung von Gewerkschaften, die nun durch das plötzliche Zugeständnis der Regierung ermöglicht werden soll. Bei der Erhöhung des Mindestlohns, der jetzt bei 32 Euro monatlich liegt, 1,60 Euro am Tag. Wer aus Deutschland kann dabei helfen? Gewerkschaften und das Bundesministerium für Entwicklungshilfe durch Beratung, Ausbildung und Einfluss auf die Regierung (sind die eigentlich schon tätig geworden?). Politischer Druck von vielen Seiten wird jetzt gebraucht, um den arbeitenden Frauen höhere Löhne und einwandfreie Arbeitsstätten zu sichern.

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