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Der Bundesgeschäftsführer der FDP, Marco Buschmann und der Bundesvorsitzende, Christian Lindner, stellen im Juli im Museum am Brandenburger Tor in Berlin das Wahlprogramm der Partei zur Bundestagswahl vor.

© Wolfgang Kumm/dpa

Ein Zwischenruf zu …: Christian Lindner und der Schatten des Guido Westerwelle

Warum die FDP jetzt nicht die richtige Partei ist, um mitzuregieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

Wenn Christian Lindner morgens in den Spiegel schaut, sieht er einen Mann, der die FDP im Alleingang in den Bundestag führen will. Er erblickt einen Politikprofi, der sich im Wahlkampf ganz besonders lockermacht, um bei den jungen Leuten voranzukommen. Es lächelt ihm ein Popstar zu, den seine Parteifreunde wie einen Erlöser feiern. Wenn Lindner besonders aufmerksam hinschaut, sieht er noch etwas: den Schatten von Guido Westerwelle.

Für die FDP droht sich eine Geschichte zu wiederholen, die beim letzten Mal kein gutes Ende nahm. Wie im Jahr 2009 berauscht sich die Partei an ihrem Anderssein. Sie genießt den Zuspruch der Jungen, der Klugen, der Erfolgreichen. Ihre Umfragewerte liegen satt über acht Prozent, eine Regierungsbeteiligung ist in greifbarer Nähe. Und doch ist die Truppe hinter dem Solisten zu unerfahren, zu unbeherrscht und zu ehrgeizig, um ab September tatsächlich gut regieren zu können. Wie im Jahr 2009 ist die FDP zwar gut für den Bundestag. Reif für die Bundesregierung ist sie nicht.

Die FDP ist jetzt nicht die richtige Partei für eine Regierungsbeteiligung

Christian Lindner beschwört seine Leute, nicht in dieselbe Falle zu tappen wie 2009. Es wäre das Ende der FDP. Keine faulen Kompromisse in der Sache, kein nassforscher Neoliberalismus, kein Streit innerhalb der Partei: Das ist die Devise für den Wahlkampf. Doch danach? Taugliche Minister und Staatssekretäre für drei oder vier Ministerien haben die Liberalen nicht an Bord – lässt die FDP aber wieder ihre jungen Wilden von der Leine, ist die Abstoßungsreaktion absehbar. Der große Koalitionspartner wird die Unerfahrenheit für sich nutzen und sie mit seiner Routine an die Wand drücken. Die Opposition wird sich an den Neuen abarbeiten, die große Regierungspartei dagegen in Ruhe lassen. Und auch die Reaktion der Beamten in den wieder liberal geführten Ministerien ist absehbar: Minister isolieren, Minister auflaufen lassen, Minister stehen lassen.

Kein Wunder, dass Lindner am liebsten gar nicht regieren würde. Er hat recht. Die Sache ist vertrackt: Noch nie hatte Deutschland eine liberale Handschrift in der Regierung so nötig wie heute. Es ist die Tragik der FDP, dass sie jetzt nicht die richtige Partei dafür ist.

Ursula Weidenfeld schreibt im wöchentlichen Wechsel mit Barbara John die Kolumne "Zwischenruf" im Tagesspiegel am Sonntag.

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