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Ein Zwischenruf zur …: Dankbarkeit

Wir Nachkriegsdeutsche sind so daran gewöhnt, für unsere Einwanderungspolitik verbal verprügelt zu werden, dass wir verlegen und ungläubig reagieren, wenn es einmal anders kommt. So geschehen Anfang September in Berlin, als Vietnamesen für ihre Aufnahme und Integration uns Deutschen dankten.

Wir Nachkriegsdeutsche sind so daran gewöhnt, für unsere Einwanderungspolitik verbal verprügelt zu werden, dass wir verlegen und ungläubig reagieren, wenn es einmal anders kommt. So geschehen Anfang September in Berlin, als Vietnamesen für ihre Aufnahme und Integration uns Deutschen dankten. Eingeladen hatte ein Zusammenschluss vietnamesischer Flüchtlinge in Berlin. Das Auditorium maximum der TU füllten ehemalige Bootsflüchtlinge mit ihren Familien, die Anfang der achtziger Jahre in Berlin aufgenommen worden waren und Vertragsarbeitnehmer aus der Ex-DDR. Was sie an der neuen Heimat Jahrzehnte nach ihrer Einreise bewunderten, war das Leben in einem freiheitlichen Land, das vor allem für ihre Kinder beruflichen und sozialen Aufstieg bereithielt, unabhängig von sozialer Herkunft, politischer Einstellung oder Einkommen. Wir Eingeladene wollten unseren Ohren nicht trauen. Wer hatte je zuvor von Einwanderern solch eine öffentliche Anerkennung gehört?

Ach du meine Güte, könnte da gestöhnt werden, wie antiquiert, Dank zu erwarten. Das kam uns Festgästen aber gar nicht in den Sinn. Was plötzlich aufleuchtete, war etwas ganz anderes: Die Aufnahme von Millionen Einwanderern in Deutschland war eine historische Leistung, trotz politischer Fehler. Und im Ergebnis geht es fast allen besser als im Herkunftsland. Auch den Millionen Deutsch-Türken, die gerade im Mittelpunkt vieler Erinnerungsfeiern stehen, weil das Anwerbeabkommen mit der Türkei sich Ende Oktober zum fünfzigsten Male jährt. Danksagung gab es auch. Deutsche dankten den türkischen Einwanderern (www.berlinsagtdanke.de). Vom türkischen Staatsminister Gül dagegen waren im Vorfeld zur großen Jubiläumsfete am 2. November in Berlin lediglich Vorwürfe zu hören: Der wirtschaftliche Beitrag der Türken sei vergessen und verpflichtendes Deutschlernen vor dem Ehegattennachzug aus der Türkei verletze die Menschenrechte. Vermutlich wird Ministerpräsident Erdogan das im November noch toppen. Hier irre ich gern. Es wäre sicher mehr Freude aufgekommen, wenn die hiesigen Türken das Jubiläum selbst in die Hand genommen hätten, etwa indem die mehr als hunderttausend Unternehmer in Deutschland zu einem Tag der offenen Tür einladen. Vielleicht kommt das ja noch?

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