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Elterngeld: Käufliche Liebe

Deutschland, deine Kinder: Auch das Elterngeld stimuliert nicht die Gebärfreude. Für viele ist das "Kinderkriegen" noch zu teuer.

Wenn eine Bilanz in der Politik nicht so gut ausfällt, schlägt die Stunde der Wortakrobaten. Deren Kunst besteht darin, den Eindruck zu erwecken, man sei trotz des deprimierenden Befundes irgendwie auf dem richtigen Weg. Ein Finanzminister schlägt sich auf die Brust, wenn er die „Neuverschuldung reduziert“ hat. Ein Arbeitsminister freut sich, wenn der „Anstieg der Arbeitslosigkeit gebremst“ wurde. Und in diesem Sinne kann aktuell unsere Familienministerin stolz darauf sein, die Geburtenrate „auf niedrigem Niveau stabilisiert“ zu haben. Wörtlich heißt es bei Ursula von der Leyen freilich anders: „Wir sehen, dass das Elterngeld immer mehr Wirkung entfaltet und den richtigen Ansatz verfolgt.“

Wirklich? Die nackten Zahlen geben auch eine andere Schlagzeile her, nämlich die: Geburtenrückgang trotz Elterngeld! Im ersten Halbjahr 2007 kamen in Deutschland exakt 817 Kinder weniger zur Welt als im selben Zeitraum des Vorjahres. Nun lässt sich dieser Negativsaldo etwas relativieren, indem die sinkende Zahl potenzieller Mütter gegengerechnet wird. Doch egal, ob nun minimal plus oder minimal minus: Einen signifikanten Einfluss auf die Gebärfreudigkeit in Deutschland hat das Elterngeld offenbar nicht. Der erhoffte Babyboom bleibt aus.

Also tröstet sich die Ministerin mit einem emanzipatorischen Nebeneffekt der Initiative. Immer mehr Väter würden die Nachwuchs-Alimentierung beantragen. Immerhin wurden von den insgesamt 387.000 bewilligten Anträgen 37.000 von Vätern gestellt. Allerdings schrumpft auch dieser Wert bei näherer Betrachtung beträchtlich. Denn der Anteil der Männer an der Babyzeit von zwölf Monaten beträgt nicht einmal zwei Prozent. Das Gros schielt nach den zwei Bonusmonaten.

Was bleibt, ist die ernüchternde Erkenntnis, dass Deutschland, international gesehen, mit seiner Geburtenrate auf einem der hintersten Plätze verharrt, während es mit seinen Ausgaben für die Familienpolitik weiter um die Spitzenposition kämpft. Der Trend ist ungebrochen: Der Staat übernimmt immer größere Anteile an den Kinderkosten, aber immer weniger Kinder kommen zur Welt. Dabei liegt das Problem nicht so sehr im Materiellen als vielmehr im Mentalen. Muss das doppelt verdienende Akademikerpaar tatsächlich durch üppige finanzielle Anreize zum Kinderkriegen motiviert werden?

Genau das aber suggeriert das Elterngeld. Es bevorzugt die Wohlhabenden und benachteiligt die Geringverdiener. Es ist unsozial und fördert den Irrglauben, der Wille zum Nachwuchs sei am besten pekuniär zu stimulieren.

Ganz ausgeschlossen freilich ist das nicht. Der Aussagewert des ersten Halbjahres 2007 ist begrenzt. Doch einmal angenommen, die nächste Statistik zeige, dass durch das Elterngeld – Höchstsatz 1800 Euro im Monat, 14 Monate lang, sprich: 25.200 Euro pro Kind – die Geburtenrate steil nach oben geschnellt sei, was dann? Dann gibt es in Deutschland eine neue Definition von Wunschkind: „Wir wollten dich, liebes Kind, weil wir dafür weder auf den Zweitwagen verzichten mussten noch auf den Skiurlaub in St. Moritz.“

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