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Energiekonzept: Sammlung frommer Wünsche

Das Energiekonzept der Regierung ist rätselhaft. Warum RWE, Eon und Co. nun auf einmal Ökoaktivismus entwickeln sollten, wenn sie zugleich an der Kernenergie weiterverdienen dürfen, wird nicht erklärt.

Das Problem ist simpel und schon lange bekannt: Die fossilen Brennstoffe gehen langsam zur Neige. Neue Lagerstätten zu erschließen, wird immer teurer und gefährlicher – die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko führte dies gerade eindrücklich vor Augen. Berechnungen zufolge wird Öl ab dem Jahr 2050 so knapp und teuer, dass die Welt in eine Energiekrise schlittert. Zugleich beschleunigt das aus Öl, Kohle und Erdgas entstehende Kohlendioxid die Erderwärmung.

Die Kernenergie kann die Lücke nicht schließen. Die bestehenden Kernreaktoren stellen ein Risiko für die Bevölkerung dar, sie sind etwa gegen terroristische Anschläge nur unzureichend geschützt. Sichere Reaktoren sind zwar denkbar, wären aber viel zu teuer. Zudem ist das Entsorgungsproblem der radioaktiven Abfälle vollkommen ungelöst. Davon abgesehen reichen die Uranvorräte ohnehin kaum länger als die fossilen Energieträger. Auch der Physikertraum, in einem Fusionsreaktor das Sonnenfeuer zu bändigen und als unerschöpfliche Energiequelle zu nutzen, wird noch lange nicht in Erfüllung gehen. Deshalb wird die Zivilisation nur überleben, wenn es ihr gelingt, die Sonne als Hauptenergiequelle zu nutzen. Für Deutschland bedeutet das den Umstieg auf Wind, Wasser, Fotovoltaik und Biomasse.

So ungefähr steht das auch in der Präambel des längst überfälligen „Energiekonzepts“, das die Bundesregierung am Montag vorlegte. Doch wie das konkret geschehen soll, ist auf den 39 Seiten nicht zu finden. Als Rückgrat der „Erneuerbaren“ soll die Windenergie massiv ausgeweitet werden. Dass ein vernünftiger Anteil am deutschen Strombedarf nur durch Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee gedeckt werden könnte, ist lange bekannt. Die massiv subventionierten Hersteller haben jedoch lieber die Profite eingestrichen, statt in die Entwicklung der Offshore-Technik zu investieren. Zudem können die gigantischen Anlagen kaum ohne finanzielle und technische Unterstützung der großen Energiekonzerne gebaut werden. Auch das Stromnetz müsste modernisiert und um eine Nord-Süd-Trasse erweitert werden. Warum RWE, Eon und Co. nun auf einmal Ökoaktivismus entwickeln sollten, wenn sie zugleich an der Kernenergie weiterverdienen dürfen, erklärt das Energiekonzept nicht.

Ähnlich rätselhaft ist die weitere Subvention der Fotovoltaik. Jahrelang flossen zweistellige Milliardenbeträge in unökonomische Solaranlagen auf Hausdächern, durch die Abnahmegarantie stieg der Strompreis. Doch der erhoffte Impuls für die Weiterentwicklung der derzeit noch ineffizienten Technik blieb aus. Die durchschnittliche Leistung der Dachanlagen liegt weiterhin bei mickrigen fünf Kilowatt, die hoch subventionierten Module werden größtenteils billig in China hergestellt. Wie die Industrie motiviert werden soll, die unausgereifte Solartechnik weiterzuentwickeln, bleibt vollkommen offen.

Auch ansonsten ist das Papier kein konkreter Plan, eher eine Ansammlung frommer Wünsche. Bei der Biomasse, deren ungeschickte Subvention negative Auswirkungen für die Umwelt hat, sollen künftig „Überförderungen vermieden“ werden und die Forschung soll umweltverträglichere Biokraftstoffe der zweiten Generation entwickeln. Für die Stromspeicherung sollen ebenfalls neue Techniken erforscht werden, zusätzlich hat man in Norwegen und den Alpen sagenhafte „Potenziale zur Pumpspeicherung im Ausland“ ausfindig gemacht.

Nur an zwei Stellen wird das Energiekonzept sehr konkret. Im Gebäudebereich, auf den etwa 40 Prozent des deutschen Energieverbrauchs entfallen, werden ab 2012 auch für Bestandsbauten strengere Vorschriften gelten. Bis 2050 sollen alle Gebäude auf den höchsten EU-Standard „Nullemission“ saniert sein, von der Heizung über die Wärmedämmung, Lüftung und Regelungstechnik bis zum „intelligenten“ Stromzähler – die Hauptkosten tragen die Hauseigentümer und Mieter.

Zweitens werden die Laufzeiten der Kernkraftwerke um bis zu 14 Jahre verlängert, weil angeblich sonst in der Übergangsphase der Strom zu teuer würde. Warum die erneuerbare Energien danach plötzlich wirtschaftlich sein sollen, wenn sie bis dahin gegen billigen Atomstrom subventioniert wurden, bleibt allerdings eines der vielen Rätsel des Konzepts.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle.

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