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England und Europa: England ist kein europäisches Land

Freunde des offenen Meeres: England will von Europa nichts wissen - es sei denn es geht um Klatsch und Tratsch aus dem Hause von Präsident Sarkozy.

Irgendwo in Jane Austens Roman „Anne Elliot“ findet sich die Überlegung, dass man „von einer Menschengruppe zu einer auch nur drei Meilen entfernten anderen versetzt häufig ganz andere Gesprächsstoffe, Meinungen und Vorstellungen trifft“. Wen die Frage bewegt, ob England zu Europa gehört, muss in diesen Tagen nur in englische Zeitungen – auch die ernsthaften, obwohl der Unterschied inzwischen gering ist – schauen und nach „International News“ fahnden. Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Russland oder Polen kommen hier nicht vor, mit einer Ausnahme: Carla Bruni und die Frage, ob die französische Justizministerin Rachida Dati vielleicht ihren Platz in Sarkozys Bett einnehmen könnte, beschäftigt die englischen Zeitungen.

International News, das sind für die Briten Obama, Clinton und Mugabe. Europa interessiert nur, wenn es gegen Brüssel aufmuckt wie Irland, dessen Abstimmung über den europäischen Verfassungsersatzvertrag mit viel Aufmunterung zu einem kräftigen Nein begleitet wurde. Eine Freihandelszone ist der größten der Britischen Inseln lieb und teuer, ein auch außenpolitisch handlungsfähiges Europa trifft auf historisch und kulturell tief verwurzelte antikontinentale Instinkte, die Winston Churchill einst gegenüber Charles de Gaulle zu dem wütenden Ausruf veranlasste: Wenn ich zwischen Ihnen und Amerika, zwischen Ihnen und dem offenen Meer wählen muss, werde ich immer Amerika und das offene Meer wählen.

Und die Neubürger aus den ehemaligen Kolonien, die Zuzügler aus Pakistan und Jamaika, haben diese Spaltung eher noch vertieft, da ihre Traditionen wie ihr Lebensgefühl noch weniger von europäischen Erfahrungen beeinflusst sind als die der Generation, die vor Verdun verblutete und Adolf Hitler standhielt. De Gaulle hatte schon recht: Mit Großbritannien ist das erste nichteuropäische Land dem europäischen Klub beigetreten, die Türkei wäre ein weiterer Sündenfall. Die Deutschen wollten nach dem Krieg die Nation in Europa ertränken, die Franzosen sie durch Europa machtpolitisch bewahren, nur die Briten wollten Europa verhindern, in dem sie – zögerlich – mitmachten.

Um noch einmal die englischste aller Schriftstellerinnen abwandelnd zu zitieren: Es ist erstaunlich, wie unbekannt und gleichgültig hier die Angelegenheiten sind, die man bei uns so behandelt, als wüsste alle Welt darum oder sollte wenigstens darum wissen. Herr Putin, Frau Merkel und Herr Berlusconi finden hier einfach nicht statt. Wie soll da ein Bewusstsein für europäische Interessen, Zusammenhänge und Notwendigkeiten entstehen?

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