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Meinung: Englisch für alle

Deutschland muss offiziell zweisprachig werden

Alexander S. Kekulé Auf einmal haben die Koalitionäre die Kinder entdeckt. Plätze in Krippen und Kindergärten sollen nicht mehr Mangelware sein, die desolate Ausbildung der Kitabetreuer endlich verbessert werden. Familienministerin von der Leyen (CDU) will Krippenplätze für alle bis 2013. Die SPD legt noch einen drauf: ganztätige Kitas vom ersten Geburtstag bis zum Schuleintritt, und zwar rechtsverbindlich bis 2010. Mehr als sechs Milliarden Euro jährlich sollen dafür lockergemacht werden.

Es genügt jedoch nicht, durch mehr und billigere Kitaplätze die ans Heim gefesselten Mütter aus ihrem „vergoldeten Käfig“ zu befreien. Damit das Geld auch für die nächste Generation gut angelegt ist, muss die vorschulische Erziehung inhaltlich reformiert werden – doch dafür gibt es bisher kaum Vorschläge.

Die Entwicklungspsychologie weiß, dass sich im Vorschulalter für kurze Zeit „kognitive Fenster“ öffnen: In dieser Lebensphase bilden sich unter anderem die neurologischen Grundlagen für Musikalität und wissenschaftliches Denken. Das Kindergartenalter ist auch der optimale Zeitpunkt für die Aneignung einer zweiten Sprache: Der Klang ihrer Wörter und ihre grammatikalische Struktur werden auf ähnliche Weise verinnerlicht wie die Muttersprache.

Der übliche Beginn des Fremdsprachenunterrichts in der Grundschule, teilweise erst in der dritten Klasse, kommt deshalb viel zu spät. Sinnvoll wäre eine konsequente zweisprachige Erziehung ab dem Vorschulalter. Wie wäre es also, wenn die nächste Generation der Bundesbürger Englisch so selbstverständlich beherrschte wie die Muttersprache? Wenn Deutschland demnächst zweisprachig wäre?

Für unsere Kinder wäre vieles im Leben einfacher, interessanter und weniger fremd. Schon heute findet das „second life“ im Internet großenteils auf Englisch statt – für die nächste Generation wird der Chat mit englischsprechenden Freunden so alltäglich sein wie das Geplauder auf dem heimischen Schulhof. Sie lesen angloamerikanische Autoren im Original, verstehen die Texte ihrer Lieblingssongs und kennen die Stimmen englischsprachiger Filmhelden. Sie verstehen nuancierte Andeutungen ihrer ausländischen Freunde und Geschäftspartner. Weil sie englische Zeitungen und Fachtexte mit Leichtigkeit lesen, sind sie immer auf dem neuesten Stand.

Für Deutschland würde die Zweisprachigkeit den Wegfall eines enormen Handicaps im globalen Wettbewerb bedeuten. Deutsche Wissenschaftler und Ingenieure müssten bei internationalen Konferenzen nicht mehr mühsam um Worte ringen. Manager könnten auch ohne aufwendige Nachschulungen auf hohem Sprachniveau brillieren.

Die Zweisprachigkeit würde auch ausländische Firmen und qualifizierte Arbeitskräfte anziehen. Wegen der Sprache bevorzugen internationale Konzerne Großbritannien als Sitz ihrer Europazentralen, Callcenter werden in Irland eingerichtet. Ausländische Studenten schreckt die schwierige deutsche Sprache ab.

Internationale Topmanager und Spitzenwissenschaftler fühlen sich im Land der Teutonen häufig fremd, von ihren Familien ganz zu schweigen. Deutsche Erfindungen, Ideen und intellektuelle Schöpfungen werden sich in der globalisierten Welt nur durchsetzen, wenn sie in der globalen Sprache verfasst sind. Für Fachbücher, Internetangebote und den gesamten Bildungsbereich wäre damit endlich der internationale Markt geöffnet.

Die zweisprachige Erziehung ist für die oberen Zehntausend der Bundesrepublik seit Jahren selbstverständlich – Gutverdienende lassen ihre Vier- und Fünfjährigen scharenweise in privaten Englischkursen fit machen. Die Chance, sich in der globalisierten Welt durchzusetzen und zu Hause zu fühlen, sollte aber allen Kindern gegeben werden.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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