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Meinung: Entfernungspauschale: Leitartikel: Die Anti-Öko-Steuer

Dass Steuern nicht beliebt sind, versteht sich von selbst. Doch mit Steuern kann die Politik noch am ehesten jene Aufgabe erfüllen, die ihr in Zeiten der Globalisierung so schwer fällt: zu lenken.

Dass Steuern nicht beliebt sind, versteht sich von selbst. Doch mit Steuern kann die Politik noch am ehesten jene Aufgabe erfüllen, die ihr in Zeiten der Globalisierung so schwer fällt: zu lenken. Allerdings muss sie wissen, was sie der Gesellschaft eigentlich sagen will. Wenn sie gleichzeitig zwei diametral entgegengesetzte Signale funkt, funktioniert die Lenkung logischerweise nicht. Genau das tut Rot-Grün nun mit der Entfernungspauschale. Und leider hat die Regierung auch noch gute Aussichten, dass der Bundesrat mit Hilfe von CDU-Ländern diesen Plan in zwei Wochen durchwinken wird.

In grüner Lesart sieht die Sache so aus: Gerhard Schröder wollte eigentlich die Autofahrer bevorzugen. Die Grünen haben diesen anti-ökologischen Handstreich verhindert. Künftig werden Bus/Bahn- und Autofahrer deshalb per Entfernungspauschale steuerlich gleich behandelt. 70 Pfennig für Kurzstrecken, 80 für Wege über zehn Kilometer. Das ist ökologisch und gerecht, denn künftig können Autofahrer nicht länger viel und Rad- oder S-Bahnfahrer wenig steuerlich absetzen.

In Wirklichkeit sieht die Angelegenheit dagegen so aus: Dieser Kompromiss ist beides, eine überfällige Reform - und eine Verschlimmerung. Denn die neue Regelung verstärkt die innere Widersprüchlichkeit der Entfernungspauschale noch. Für die Umwelt ist sie zumindest zwiespältig, für Rot-Grün markiert sie den vorläufigen Höhepunkt der Halbheiten: nach der halben doppelten Staatsbürgerschaft, der halben Homo-Ehe nun die halbierte ökologische Steuerreform.

Widersprüchlich ist diese Reform, weil sie die größte Mobilität am meisten belohnt. Das ist unsinnig, und zwar in der inneren Logik dieser Steuerentlastung selbst. Die Pauschale soll eine Entschädigung für Arbeitnehmer sein, die zu ihrem Job fahren müssen. Doch die Betriebskosten eines Autos werden pro Kilometer immer geringer, je mehr man fährt. Logischerweise müsste die Entfernungspauschale für jene, die viel fahren, sinken. Jetzt soll sie im Gegenteil steigen. Und das ist kein ärgerliches, aber unwichtiges Detail einer gut gemeinten Reform, sondern ihr harter materieller Kern. Denn, wer wenig fährt, für den ändert diese Reform wenig. Nur, wer viel und weit fährt, wird von Rot-Grün belohnt. Das ist schlicht anti-ökologisch. Denn damit fördert die Bundesregierung Pendler - und schafft mehr Autoverkehr und mehr Zersiedlung der Landschaft. Was würden die Grünen wohl dazu sagen, wenn sie noch in der Opposition wären ...

Es gibt viele gute Gründe, warum man die Entfernungspauschale (die in anderen Ländern übrigens unbekannt ist) abschaffen könnte. Wer außerhalb wohnt, zahlt in der Regel weniger Miete, wer in der Stadt, nahe am Arbeitsplatz wohnt, mehr. Allgemeiner gesagt: Was hat der Staat damit zu schaffen, wie die Leute zur Arbeit kommen?

Warum also das Ganze? Weil Schröder nach den Spritpreiserhöhungen im Spätsommer Angst hatte, dass ihm bei der nächsten Stufe der Ökosteuer die Wähler weglaufen. Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber, gerade in Steuerfragen, gerade wenn es um langfristiges Lenken geht. Dass derzeit die Spritpreise gerade wieder in den Keller rauschen, verdeutlicht, wie unklug solche Manöver sind.

Rot-Grün stellt damit für einen vermuteten, kurzfristigen Erfolg in der Wählergunst das Herzstück ihrer Politik in Frage: die Ökosteuer. Denn die soll zweierlei bewirken: Energie teurer machen und damit Markt und Konsumenten mit sanftem Druck zu umweltfreundlicherem Verhalten bewegen - und Arbeit via Lohnnebenkosten billiger machen. Das ist eine plausible, praktikable Idee. Allerdings nur, wenn die Regierung ihr auch traut. Doch das scheint nicht der Fall zu sein, nicht mehr. Die Entfernungspauschale ermuntert jeden, der einen Taschenrechner bedienen kann, viel Auto zu fahren. So dementiert sich Rot-Grün selbst.

Stefan Reinecke

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