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Der Autor Hamed Abdel Samad

© dpa

Entführung von Hamed Abdel-Samad: Hoffen für Hamed

Seit Sonntagmittag gibt es kein Lebenszeichen des deutsch-ägyptischen Autors Hamed Abdel-Samad: Vermutlich wurde er in Kairo entführt. Er und seine Meinung über den politischen Islam müssen nun maximale Bekanntheit erlangen - das könnte ihn schützen.

Von Caroline Fetscher

Man will nicht dran denken. Kann aber nicht anders. Wer Hamed Abdel-Samad in den vergangenen Jahren gesehen, ihm zugehört, ihn gelesen hat, muss jetzt an ihn denken. Er soll in Kairo spurlos „verschwunden“ sein. Das ist nicht nur dort ein bedrohliches Synonym für „vermutlich entführt“. Und in diesem Fall leider sehr realistisch. Mit jugendlich glücklichem Lächeln, nahezu euphorisch, hatte der 1972 geborene Deutsch-Ägypter den arabischen Frühling in Kairo begrüßt. Genauso leidenschaftlich war dann sein Zorn auf die Pervertierung der Revolte, als sie in den Islamismus mündete. Das war das Letzte, was der studierte Politologe sich wünschte.

Mit seinem Buch von 2009, „Mein Abschied vom Himmel“, hatte er das sonnenklar gemacht: Die islamische Welt braucht eine radikale Reform. Im selben Jahr schrieb er für diese Zeitung – eine der ersten, die ihn druckten – ein Plädoyer für einen „Islam ohne Scharia, ohne Dschihad, ohne Geschlechter-Apartheid, ohne Missionierung und ohne Anspruchsmentalität“.

Hamed Abdel-Samad redet so offen und couragiert, dass man um ihn Angst haben kann. Zugleich wirken seine weichen Züge, sein Humor, sein reflektiertes Sprechen so entwaffnend, dass er irgendwie unangreifbar scheint. In Ägypten sehen einige das ganz anders. Es gab öffentliche Mordaufrufe, eine Fatwa wurde gegen ihn ausgesprochen wie gegen Salman Rushdie. Hamed Abdel-Samad bekam in Kairo Begleitschutz, wenn er dort war, musste er untertauchen.

Jetzt müssen alle Abdel-Samad kennenlernen - Bekanntheit kann Schutz sein

Auf Facebook schrieb er am Sonntag nur ein Wort auf Arabisch: „Barmherzigkeit“. Dann noch ein Gedicht über den Nil, auf den er aus dem Fenster sieht, und der ihm an diesem Tag wütend vorkam. Seither hat er nichts gepostet.

Zum Lachen und Weinen ist der großartige Roadmovie, den Hamed Abdel-Samad 2010 zusammen mit Henryk M. Broder machte. Die Serie lief sehr spät nachts, versteckt – die „Deutschland-Safari“ eines Muslims und eines Juden hätte Besseres verdient. Jetzt, wo es berechtigte Angst um ihn gibt, müsste sie sofort ins Programm gehoben werden. So viele Leute wie möglich sollten Abdel-Samad kennenlernen, auch, weil seine Bekanntheit ein zusätzlicher Schutz für ihn sein kann. Das Hoffen geht ja weiter, das muss es.

Seit Monaten pendelte Abdel-Samad zwischen Deutschland und Ägypten, wo er sich, als Apologet der absoluten Meinungsfreiheit, in jüngster Zeit auch gegen die Unterdrückung von Muslimbrüdern durch die Militärregierung aussprach. Unerträglich der Gedanke, dass er in den Händen von islamistischen Psychopathen sein könnte. Man hofft, dass sie mit ihm diskutieren oder dass sie einfach nur Geld wollen. Die Bundesregierung, ihre Krisenstäbe und Lagezentren dürfen nichts unversucht lassen, auf Ägyptens Ermittler einzuwirken, um den Mann zu retten, der vom Innenministerium in die Islamkonferenz geholt wurde und dessen Stimme nicht fehlen darf. Und der vor allem einfach sein Recht auf Leben hat.

Vom Himmel wollte Hamed Abdel-Samad sich verabschieden. Von der Erde will er das gewiss nicht. Wir wollen ihn wiederhaben.

Auf der Plattform change.org gibt es eine Petition dafür, dass die deutsche und die ägyptische Regierung alles tun, damit Hamed Abdel-Samad freikommt. Schon über 12 000 Menschen haben unterschrieben.

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