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DDR-Zwangsarbeiter und Ikea. Der Möbelhersteller steht in der Kritik.

© dpa

Entschädigung für Ikea-Zwangsarbeiter: Lieber in die Zukunft investieren

Ikea und die DDR: Den politischen Gefangenen, die in der DDR zu Unrecht inhaftiert wurden, steht unstrittig Haftentschädigung zu. Unser Gastautor Richard Schröder meint aber nicht, dass es für die Ikea-Zwangsarbeiter darüber hinaus zusätzliche Zahlungen geben sollte.

Der schwedische Möbelkonzern Ikea hat eine Studie vorgelegt, aus der hervorgeht: Der Unternehmensleitung war spätestens seit 1981 bekannt, dass bei der Möbelproduktion für den Konzern in der DDR auch Häftlinge beteiligt waren. Der Vertreter von Ikea hat das ausdrücklich bedauert und eine moralische Schuld eingeräumt. Der Vorsitzende der Union der Opferverbände erwartet eine Entschädigung für die Zwangsarbeit von politischen Häftlingen.

Die Berichterstattung über diese Pressekonferenz stand unter Schlagzeilen wie „Ikea beschäftigte DDR-Zwangsarbeiter“. Doch Ikea hat überhaupt niemanden in der DDR beschäftigt, denn das Unternehmen hat keine Betriebe in der DDR unterhalten. Viele westliche Unternehmen haben von DDR-Außenhandelsbetrieben Produkte gekauft, die nach ihren Plänen in DDR-Betrieben gefertigt wurden. Sie haben aber nicht mit diesen Betrieben Verträge abgeschlossen, sie konnten sie zumeist nicht einmal besichtigen. Dass dort auch Häftlinge beschäftigt wurden, ist Ikea durch freigekaufte Häftlinge bekannt geworden. Ikea hat seinerzeit dagegen interveniert und die DDR-Vertreter haben zugesagt, dass das in Zukunft unterbleibt, sich aber nicht daran gehalten.

Für Haftungsfragen macht es aber einen Unterschied, ob ein Unternehmen Häftlinge beschäftigt oder Produkte kauft, an deren Herstellung möglicherweise Häftlinge beteiligt waren. Wir DDR-Bürger hätten keine Kohle kaufen dürfen, wenn wir vollkommen hätten ausschließen wollen, dass im gekauften Produkt Häftlingsarbeit steckt.

Wenn von Zwangsarbeit die Rede ist, steht uns die Zwangsarbeit in der Nazizeit vor Augen. Soeben hat die Bundesregierung ein Abkommen unterzeichnet, das weiteren Zwangsarbeitern aus der NS- Zeit Entschädigungszahlungen ermöglicht. Das ist gut so. Die Frage ist aber, ob die Zwangsarbeit von politischen Häftlingen in der DDR in dieselbe Kategorie gehört. Unter Zwangsarbeit versteht man jede „unfreiwillige Arbeit oder Dienstleistung, die durch Androhung einer Strafe ausgeübt wird“. Das Übereinkommen über Zwangs- und Pflichtarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von 1930 verbietet Zwangsarbeit, nimmt aber von diesem Verbot einiges aus, darunter den Wehrdienst und die Arbeit im Strafvollzug.

Im Grundgesetz heißt es in Artikel 12.: „Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsstrafe zulässig“. Sie darf aber weder die Menschenwürde noch die Verhältnismäßigkeit verletzen. Die Entlohnung ist auf fünf Prozent des durchschnittlichen Lohns festgesetzt.

Die Zwangsarbeiter in der NS-Zeit waren keine gerichtlich verurteilten Häftlinge, sondern KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene und Zivilisten aus den besetzten Gebieten. Deshalb werden sie entschädigt. Den politischen Gefangenen, die in der DDR zu Unrecht inhaftiert worden sind, steht unstrittig Haftentschädigung zu, unter bestimmten Bedingungen auch eine Opferrente. Ich kann nicht erkennen, dass ihnen außerdem für die allgemeine Zwangsarbeit von Häftlingen eine besondere Entschädigung zusteht.

Skandalös waren die Haftbedingungen und die Umstände der Zwangsarbeit. Die Norm war höher, der Arbeitsschutz oft mangelhaft. Wenn Arbeit verweigert oder die Norm nicht erfüllt wurde, waren die Strafen extrem hart. Aber dies betraf alle Häftlinge. Sollte Zwangsarbeit von Häftlingen einen Entschädigungsanspruch begründen, müssten auch die kriminellen Häftlinge entschädigt werden. Das würde ich nicht empfehlen, weil ich noch viele andere Gruppen von DDR-Bürgern kenne, die einen finanziellen Ausgleich für Nachteile aus der DDR-Zeit geltend machen könnten. Es lassen sich nicht alle Nachteile aus dem Leben in der DDR finanziell abfinden. Die Steuergelder, die wir zur Entschädigung von Kränkungen aus der Vergangenheit ausgeben würden, sollten wir lieber für zukünftige Aufgaben bereithalten.

Der Autor war SPD-Bundestagsabgeordneter und lehrte Theologie an der Humboldt-Universität.

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