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Meinung: Er kommt, er kommt - nur wann?

Hans Eichel ruft den Aufschwung aus: an dem Tag, an dem er die Wachstumsprognose der Bundesregierung für dieses Jahr wieder einmal - diesmal um einen halben Prozentpunkt - nach unten korrigieren muss. An dem Tag, an dem er einräumen muss, dass die durchschnittliche Arbeitslosenzahl in diesem Jahr nur knapp unter die Vier-Millionen-Grenze gedrückt werden kann.

Hans Eichel ruft den Aufschwung aus: an dem Tag, an dem er die Wachstumsprognose der Bundesregierung für dieses Jahr wieder einmal - diesmal um einen halben Prozentpunkt - nach unten korrigieren muss. An dem Tag, an dem er einräumen muss, dass die durchschnittliche Arbeitslosenzahl in diesem Jahr nur knapp unter die Vier-Millionen-Grenze gedrückt werden kann. An dem Tag, an dem die EU-Kommission Deutschland wegen seines Haushaltsdefizits abmahnen will. Genau an dem Tag gibt Eichel seinem Jahreswirtschaftsbericht den Titel "Vor einem neuen Aufschwung". Eine schärfere Kurve hat selten ein Finanzminister genommen, das muss an dieser Stelle respektvoll angemerkt werden.

Keine Sorgenfalten, keine Depression, den Blick schnurgerade auf den nächsten Aufschwung gerichtet. Das ist mutig vom Finanzminister und ein bisschen dreist ist es auch. Vor allem aber ist es schlau. Schließlich ist Wahlkampf. Und da ist es immer besser, wenn die Regierung den erwarteten Aufschwung schon einmal auf ihr Habenkonto bucht, anstatt darauf zu warten, dass er kommt - und dann von einem anderen reklamiert werden könnte.

Eichels Trick könnte sogar klappen, denn er hat die Wirtschaftsprognosen auf seiner Seite. Was jetzt vor allem Aufschwungsrhetorik ist, könnte also von Ende März an mit Daten unterlegt werden. Unbestritten ist, dass sich Europa und Deutschland in einer konjunkturellen Wendephase befinden. Die Lage ist zwar noch schlecht, aber immerhin steigt die Stimmung. Und die Wirtschaft in den USA hat die Wende offenbar geschafft. Sie reagiert auf die zahlreichen Zinssenkungen und Ausgabenprogramme des vergangenen Jahres: Sie wächst wieder.

Wahrscheinlich ist, dass es noch ein paar Monate dauern wird, bis ein Aufschwung auch in Deutschland spürbar wird. Und noch länger wird es dauern, bis auf dem Arbeitsmarkt eine wirkliche Besserung eintritt. Das aber muss die Regierung nicht stören. Denn die Arbeitsmarktstatistik wird von Ende März an von Monat zu Monat trotzdem besser ausfallen: Weil Frühling ist und dann Sommer, und weil dann mehr Arbeitslose wenigstens einen Saison-Job finden oder ihre Stelle auf dem Bau oder in der Landwirtschaft wieder besetzen können.

Das nutzt der Regierung und es schadet der Opposition. Wenn es der Bundesregierung gelingt, das Aufschwungversprechen bis in den Herbst durchzuhalten, wird das die Unionsparteien schwer in die Klemme bringen. Sie haben sich bisher auf die wirtschaftliche Entwicklung und die Arbeitslosenstatistiken konzentriert, um sich als die bessere Alternative zu empfehlen. Das wird von März an etwas komplizierter. Edmund Stoiber muß dem Wahlvolk erst einmal den Unterschied zwischen saison bereinigten und saisonalen Arbeitslosenzahlen erklären, wenn er beweisen will, dass nichts besser geworden ist.

Der Reflex des Unionskanzlerkandidaten auf Eichels Jahreswirtschaftsbericht war ein abfälliges: "Die können es nicht". Doch den Unionsparteien wird es seit gestern schwerer fallen, einen Wahlkampf mit dem Thema Rezession durchzuhalten. Es sei denn, die Gewerkschaften tun ihnen den Gefallen und fahren in den nächsten Wochen die Tarifrunde krachend an die Wand.

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