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Der Durchbruch zur Erbschaftsteuer wurde im Vermittlungsausschuss erzielt. Rechts im Bild Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer.

© dpa

Erbschaftsteuer: Guter Kompromiss

Die Einigung kam spät und auf Druck des Bundesverfassungsgerichts. Dennoch zeigt sie, dass die Politik nicht nur streiten kann. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Wenn im Kinderzimmer wieder mal ein Zank ums Lieblingsspielzeug ausgebrochen ist, gibt es ein probates Mittel, den Streit schlagartig zu beenden: Wenn ihr euch nicht einigt, dann nehm’ ich euch allen den Teddy weg. Der Vermittlungsausschuss ist kein Kinderzimmer und die Reform der Erbschaftsteuer kein Kinderspiel. Trotzdem funktioniert das Rezept auch im Großen. Das Bundesverfassungsgericht hat gedroht, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, wenn sich die Parteien bis Monatsende nicht einigen. Und – auf einmal geht’s.

Dass die Angst vor der unsterblichen Blamage den Einigungswillen diktiert hat, bestreiten nicht mal die Beteiligten selbst. Man stelle sich das auch mal vor: Weil die in Berlin (und in München) sich als unfähig zu ihrem Kerngeschäft erweisen, schreiben die roten Roben in Karlsruhe ihnen das Gesetz vor, das die Abgeordneten dann obendrein untertänigst abnicken müssen. Wer noch nicht der Mode der Politikverachtung verfallen ist, dem wäre nach so einem Vorgang gar nichts anderes übrig geblieben, als in den Chor einzustimmen.

Hart an der Grenze

Aber auch das Gericht hätte Schaden genommen. Die Drohung aus Karlsruhe lag hart an der Grenze zur Kompetenzüberschreitung. Der Schiedsrichter hat am Ball nichts verloren, mögen die Mannschaften auf dem Feld noch so dilettantisch kicken. Es ist nicht ungewöhnlich, dass das oberste Gericht dem Gesetzgeber in seinen Urteilen Fingerzeige für eine verfassungsgemäße Lösung gibt. Das ist aber etwas ganz anderes als sich selbst kurzerhand an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen.

Insofern war die nächtliche Einigung mehr als nur der erfolgreiche Versuch, in einer sachlich wie rechtlich wie politisch sehr komplizierten Gemengelage einen gangbaren Weg zu finden. Nein, dieser Kompromiss war nötig und zwingend, um weit größeren Schaden abzuwenden als ihn jede noch so problematische Erbschaftsteuerreform je hätte anrichten können.

Keine Seite bricht in Jubel aus

In der Sache ist die Einigung übrigens ganz gut gelungen, was man schon daran erkennt, dass keine Seite in Siegesgeheul ausbricht und große Wirtschaftsverbände gleich losschimpfen. Ob die kleinen Änderungen an dem ersten Parteienkompromiss in dieser Angelegenheit den Aufwand wert waren, den Horst Seehofer damit ausgelöst hat, dass er die Abmachung aufkündigte, darüber muss er vielleicht in einer stillen Stunde mal mit sich selbst beraten. Dass er sich öffentlich „sehr zufrieden“ gibt, heißt bei ihm wenig.

Die Blamage ist abgewendet

Tatsächlich stand der CSU-Chef noch einmal ganz besonders unter Einigungsdruck. Die Union hat so viele Baustellen offen, dass sich viele schon fragen, ob man in dem knappen Jahr bis zur Bundestagswahl überhaupt von der Konflikt- zur Kampfgemeinschaft zurückkehren kann. Auch der Streit um die Bund-Länder-Finanzordnung wird ja öffentlich vor allem zwischen Bayern (CSU) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausgetragen. Und dann wäre noch diese Sache mit der Obergrenze.

Dabei ist die Alternative auch dort simpel: Wenn sich Berliner und Münchener weiter keilen, schmeißt der Schiedsrichter beide vom Platz. Und der hat dazu alles Recht – als Wähler.

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