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Meinung: Es gibt keinen Kaiser mehr Schröder hat den Weg Bismarcks fortgesetzt

Das Verständnis für außenpolitische Zusammenhänge hat in Deutschland abgenommen, seit Hitlers wahnwitziger Krieg für viele Deutsche Außenpolitik mit dem Makel des Unmoralischen versehen hat. In den Zeiten des kalten Krieges gebot das Eigeninteresse die enge Anlehnung an Amerika; seit dem sind Außenminister schon dann die beliebtesten Politiker, wenn sie Bella Figura machen, ganz gleich, wofür die stehen.

Das Verständnis für außenpolitische Zusammenhänge hat in Deutschland abgenommen, seit Hitlers wahnwitziger Krieg für viele Deutsche Außenpolitik mit dem Makel des Unmoralischen versehen hat. In den Zeiten des kalten Krieges gebot das Eigeninteresse die enge Anlehnung an Amerika; seit dem sind Außenminister schon dann die beliebtesten Politiker, wenn sie Bella Figura machen, ganz gleich, wofür die stehen.

Als Joschka Fischer vor Jahren einen Waffenstillstand von ein paar Tagen zwischen Israelis und Palästinensern vermitteln konnte, stand er auf dem Höhepunkt seines Ansehens, auch wenn sich die politische Substanz dieses Verhandlungserfolges in Stunden verflüchtigte. Seit der kalte Krieg zu Ende ist und die alten historischen Konfliktlinien wieder hervortreten, droht die historische Verständnislosigkeit der Deutschen das Land mental zu isolieren. Denn während deutsche Schüler die polnischen Teilungen nicht einmal vom Hörensagen kennen, sind diese historischen Wurzeln des polnisch-russischen Gegensatzes plötzlich ein Problem unserer Gasversorgung.

Es mag sein, dass Gerhard Schröder die Konsequenzen seines Tuns mangels historischen Bewusstseins nicht bedacht hat, doch mit seiner Zustimmung zur Gasleitung in der Ostsee ist er der russischen Staatsraison gefolgt und hat die polnische wie die Raison der baltischen Staaten missachtet.

Nun ist Außenpolitik immer die Abwägung von Interessen und es mag durchaus sinnvoll sein, die alte Bindung an Russland von den Freiheitskriegen bis zum späten Bismarck wiederzubeleben, doch dass dies ohne öffentliche Diskussion geschieht, ist fatal. Denn das neudeutsche Bewusstsein, allen wohl und niemandem wehe zu tun, gerät hier in Konflikt mit den historischen Ängsten unserer Nachbarn. Es ist ganz einfach: Wenn wir eine politisch handlungsfähige EU wollen, in der die deutsche und die polnische Staatsraison sich bündeln, ist die Ostseepipeline ein Fehler und der Bruch eines durch Polens EU-Beitritt eben erst begründeten Bündnisses. Sollten wir wie die Briten die EU als Freihandelszone und großen Markt ohne politische Relevanz verstehen, ist es richtig nach dem Ende des Ost-West-Konflikts die Bimarck’sche Politik der Rückversicherung zu Russland wieder aufzunehmen und polnische wie baltische Interessen als fremde zu behandeln. Der Konflikt um den Gaspreis zwischen Russland und der Ukraine ist ein guter Anschauungsunterricht dafür, dass heute Gas oder Öl wie früher Eisenbahnlinien – man denke nur an die Bagdadbahn – zu weltpolitischen Zwecken genutzt werden. Russland will mit Hilfe des Gaspreises die Ukraine in die russische Hemisphäre zurückholen. Das hat nichts mit kommunistischer Weltrevolution, sondern nur mit klassischer zaristischer Großmachtpolitik zu tun; schließlich kann man von Russland nicht verlangen, die von ihm nicht gewollte Unabhängigkeit der Ukraine mit seinem Gas zu finanzieren.

Von Bismarck stammt die Einsicht, dass man die Russen nie wirklich besiegen könne: „Selbst der günstigste Ausgang eines Krieges würde niemals die Zersetzung der Hauptmacht Russland zur Folge haben, welche auf den Millionen eigentlicher Russen griechischer Konfession beruht. Diese würden, auch wenn durch Verträge getrennt, immer sich ebenso schnell wieder zusammenfinden wie die Teile eines zerschnittenen Quecksilberkörpers.“

Dass die im Osten von Großrussen bewohnte und deshalb russischer Einflussnahme ausgesetzte Ukraine, die baltischen Republiken und das aus seinen historischen Erfahrungen heraus traditionell antirussische Polen ein Gegendruckmittel mit einer Transitpipeline in die Hand bekommen möchten, ist deshalb verständlich. Was weder in Moskau noch in Kiew und Warschau verstanden wird, ist die mangelnde deutsche Fähigkeit, diese Konflikte zu erkennen und sich danach zu verhalten. Man kann Bismarcks Russlandpolitik wieder aufnehmen oder – im bewussten Gegensatz dazu – die neue europäische Gemeinschaft an die Stelle des alten Dreikaiserbündnisses setzen; was man nicht haben kann, ist beides zugleich unter Leugnung historischer Erfahrungen und Interessen anderer. Mit der Ostseepipeline hat Schröder den Weg Bismarcks eingeschlagen. Dass Polen, Litauer, Letten und Ukrainer als die historischen Verlierer dieser Politik dagegen Front machen, darf uns nicht wundern.

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