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Die EU-Partner betrachten den Beschluss der dänischen Regierung als einen Angriff auf das Schengen-Abkommen.

© dpa

EU-Grenzkontrollen: Es ist etwas faul in Europa

Der Druck von rechts war für Ministerpräsident Rasmussen zu groß: Dänemark führt die Grenzkontrollen wieder ein. Die Regierung beweist damit, dass ihr das politische Überleben wichtiger ist als der Einsatz für die Freiheit.

Europa – für die einen ist es eine Verheißung, ein Versprechen, ein Wunschtraum. Für die anderen, und deren Zahl wächst in diesen Tagen erschreckend an, ist es ein Schreckgebilde, eine Zwangsgemeinschaft, eine Quelle von Zumutungen. Dass die Skeptiker und Neinsager derzeit so viel von sich reden machen, hat möglicherweise auch damit zu tun, dass Europas Bürger die EU, groß und mitgliederstark, wie sie geworden ist, nicht mehr verstehen.

Überall gehen Rechtspopulisten mit einfachen Rezepten hausieren. Sie sind immer gleich. Sie suggerieren, dass nur die Grenzen wieder geschlossen oder der Euro wieder aufgegeben werden müssten, um Flüchtlinge fernzuhalten oder die Krise der Gemeinschaftswährung zu beheben. Das jüngste Beispiel einer derartigen Volksverdummung findet sich in Dänemark, wo die Rechtspopulisten unter der Führung von Pia Kjærsgaard schon seit Jahren eine Minderheitsregierung vor sich hertreiben. Kjærsgaards jüngster Coup, die Wiedereinführung von Grenzkontrollen, muss jeden Europäer alarmieren: Wenn die Dänen anfangen, wieder regelmäßig Zöllner an den Übergängen einzusetzen, könnte dies eine Rückkehr zur Ära der Schlagbäume einläuten.

Dänemarks Rechtspopulisten begründen die Kontrollen mit dem Zustrom von Kriminellen aus Osteuropa und illegalen Flüchtlingen aus Nordafrika – sie sollen draußen bleiben. Dabei entlarvt sich der Schritt der dänischen Regierung von selbst als Symbolpolitik. Schließlich ist aus der Polizeipraxis bekannt, dass sich Kriminelle und Illegale auch im Zeitalter des grenzenlosen Schengen-Raums sehr wohl stoppen lassen: mit verdachtsabhängigen Kontrollen im Hinterland.

Wenn sich die Regierung des dänischen Ministerpräsidenten Rasmussen unter dem Druck der Rechtspopulisten zur Wiedereinführung der Kontrollen hinreißen ließ, dann kommt das einem Eingeständnis gleich, dass ihr das politische Überleben im Zweifel wichtiger ist als der Einsatz für die Freiheiten, die wir in Europa seit Jahren genießen. Der Wegfall der Kontrollen zählt zweifellos dazu, niemand wünscht sich die Warterei an den Grenzen zurück. Es ist etwas faul im Staate Dänemark – aber nicht nur dort. Der Erfolg der Wahren Finnen hoch oben im Norden der Gemeinschaft, die Stimmungsmache der Lega Nord gegen Flüchtlinge aus Nordafrika und die Anbiederung des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy an die rechtsextreme Front National – lauter Belege für eine Rückkehr zum Nationalismus in Europa.

Nun hätten die neuen Nationalisten nicht so leichtes Spiel, wenn sich die EU, mit all ihren Entwicklungen im vergangenen Jahrzehnt, nicht auch angreifbar gemacht hätte. Die Osterweiterung zum Beispiel, so richtig sie aus historischen Gründen war, hat dazu geführt, dass der Brüsseler Betrieb mit seiner ganzen Vielstimmigkeit auf die Bürger noch abschreckender wirkt als noch zu Beginn des Jahrzehnts. Die vielbeschworene Vertiefung der EU ist ausgeblieben. Vor allem die Definition dessen, was eine Vertiefung für Europa bedeutet.

Aber gerade weil es so einfach ist, auf Kosten der EU Stimmung zu machen, sollte sich die Politik davor hüten, nicht zuletzt in Deutschland. Oder rechnen diejenigen in der FDP und der Union, die den Kurs der Kanzlerin gegen die Schuldenkrise in der Eurozone nicht mehr mittragen wollen, insgeheim mit der Europamüdigkeit vieler Bürger? Es mag pathetisch klingen, ist aber trotzdem wahr: Europa kann an solchen Spekulationen zerbrechen.

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