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Das Land steuert auf den Abgrund zu - und der Westen schaut zu.

© AFP

Eskalation in Kairo: Ägypten auf dem Weg in den Abgrund

Die Lage in Ägypten eskaliert und der Westen kann nicht viel mehr tun, als tatenlos zusehen. Der Einfluss von außen auf das Land ist begrenzt. Einen letzten Hebel gibt es allerdings noch.

Von Hans Monath

Es war ein vergeblicher Versuch: Als erster westlicher Außenminister nach dem Sturz Präsident Mursis besuchte Guido Westerwelle Anfang August Kairo. Wenige Stunden, bevor er landete, hatte die neue Militärregierung schon die Räumung der Protestlager der Muslimbrüder angeordnet.

Seither eskaliert die Lage im bevölkerungsreichsten arabischen Land, die Welt wird Zeuge brutaler Gewalt. Doch die Einwirkungsmöglichkeiten der deutschen Außenpolitik sind kein bisschen besser als vor zwei Wochen. Das Dringen auf Gewaltverzicht und eine Verständigungslösung sind richtig. Doch keiner der Verantwortlichen in Berlin wird sich der Illusion hingeben, dass Deutschland oder Europa über viel Einfluss verfügen, wenn selbst die USA, seit langem Schutzmacht des ägyptischen Militärs, die Grenzen ihrer Macht erfahren müssen. Auch ihre hochrangigen Emissäre zogen unverrichteter Dinge wieder ab. Denn anders als die Muslimbrüder waren die Generäle in Kairo nie zu einem Kompromiss bereit, auch dann nicht, als der ihnen nur kleine Zugeständnisse abverlangt hatte.

"Rückschritt für die Demokratie"

Schon zu einem Zeitpunkt, als im Westen die Erleichterung über das Ende der Mursi-Despotie noch überwog, hatte der Außenminister einen eigenen Ton angeschlagen: Er sprach nach der Absetzung des islamistischen Präsidenten von einem „Rückschritt für die Demokratie“. Zunächst stand er damit alleine, denn US-Außenminister Kerry rechtfertigte den Putsch sogar offensiv. Doch mit seiner Skepsis setzte sich Westerwelle in der EU durch. Seit die Generäle auf die Bevölkerung schießen lassen, bekennt sich niemand mehr zu ihnen.

Zu Beginn des arabischen Frühlings vor zweieinhalb Jahren hatte Westerwelle noch ein goldenes Zeitalter anbrechen sehen und damit wie viele andere Kommentatoren offenbart, dass ihm der historische Sinn für die selbst zerstörerischen Mechanismen solcher radikalen Umbrüche fehlte. Denn das Studium der französischen Revolution trägt womöglich mehr zum Verständnis der Entwicklung nach dem arabischen Frühling bei als die Lektüre des Koran. Erst nach Exzessen und Rückschlägen, nach blutigen Kriegen und einer kompletten Neuordnung der Landkarte Europas konnten Grundprinzipien von 1789 in einigen Ländern langsam verwirklicht werden.

Weg der Gewalt führt Ägypten in den Abgrund

Diesmal zeigte Westerwelle eine bessere Urteilskraft: Seine Skepsis gegenüber dem Putsch war auch zu einem Zeitpunkt berechtigt, als das Blutbad nicht absehbar war. Dafür muss man nur demokratische Prinzipien ernst nehmen, die der Westen nimmermüde predigt. Gelten sie nicht, wenn unliebsame Regierungen gewählt werden? Es mag sein, dass Mursis Weg an ein Ende gekommen war. Der Weg der Gewalt, den die Generäle wählen, führt das Land in den Abgrund.

Den stärksten Hebel hält die US- Regierung in der Hand, die das Militär am Nil jährlich mit 1,3 Milliarden Dollar unterstützt. Doch niemand weiß, ob ein Abdrehen des Geldhahns die Generäle zur Zivilität zwingt oder die letzte staatliche Ordnung zerstört. Und welcher Hebel bleibt, wenn man den stärksten ohne Erfolg eingesetzt hat?

Mehr zu den aktuellen Geschehnissen in Ägypten lesen Sie hier.

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