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Julia Timoschenko und Alice Schwarzer.

© dpa

Etwas mehr Gier, bitte!: Frauen können auch anders

Die Frau als Leben spendende Quasi-Göttin? Als Gutmensch? Für unsere Autorin ist dieses Bild überholt. Sie fordert mehr Steuerhinterzieherinnen, mehr Diktatorinnen und überhaupt: etwas mehr Gier.

Von Anna Sauerbrey

Als bekannt wurde, dass sich Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung selbst angezeigt hat, waren viele überrascht. Das lag daran, dass der Uli so gemütlich wirkt, was mit Wurst macht und im Fernsehen gute Sachen über den bösen Kapitalismus gesagt hat. Jetzt, da der Prozess gegen Hoeneß zu Ende geht, wird sein Charakter noch einmal neu ergründet. Ach, der Uli, der war doch immer so ein netter Kerl. Dass Kerle generell, also Männer, zocken und Kohle auf die Seite schaffen und dass der Uli als ganzer Kerl das prinzipiell auch kann, wunderte hingegen niemanden. So sind Männer eben.

Uli Hoeneß ist gemütlich, die Alice hingegen nicht

Als hingegen im Februar bekannt wurde, dass sich Alice Schwarzer wegen Steuerhinterziehung selbst angezeigt hat, war niemand richtig überrascht. Das lag daran, dass die Alice schon immer als ungemütlich galt, den Männern nach verbreiteter Auffassung an die Würstchen will und in der „Bild“ böse Sachen über gute Leute gesagt hat, nämlich über Jörg Kachelmann. Dass die Alice, eine Frau also, offenbar über ein Millionenvermögen verfügt, Kohle auf die Seite geschafft und ein Konto in der Schweiz unterhalten hat, das hingegen wunderte manchen. So was machen Frauen nämlich nicht. Eigentlich.

Dass mit Alice Schwarzer eine Frau für ein Vergehen wie Steuerhinterziehung am Pranger steht, ist ein Novum. Prominente Frauen, die nennenswerte Summen am Fiskus vorbeischleusen, sind bisher so selten wie Anführerinnen extremistischer Gruppierungen, Amokläuferinnen oder Diktatorinnen. Vielleicht hat Alice Schwarzer mit ihrem Schweizer Konto deshalb der feministischen Sache einen weiteren Dienst erwiesen. Wir brauchen mehr weibliche Fiskalbetrüger. Und mehr Diktatorinnen.

Sind Frauen die besseren Menschen?

Zum einen würde das helfen, ein Frauenbild zu korrigieren, das sich seit den 70er Jahren hartnäckig hält – nämlich dass Frauen die besseren Menschen sind. Teile der Frauenbewegung zeichneten die Frau als Leben spendende Quasi-Göttin, friedfertiger und natürlich weniger raffgierig als der Mann. Feministische Wissenschaftlerinnen untersuchten matriarchale Gesellschaften, um zu belegen, dass alles besser würde, wenn nur endlich die Frauen an der Macht wären. Spätestens seit der Matriarchin Angela Merkel wissen wir zumindest, dass unter weiblicher Herrschaft weder weniger Waffen nach Saudi-Arabien exportiert noch mehr Blümchen im Vorgarten des Kanzleramts gepflanzt werden. Und das mit dem ausgeglichenen Haushalt, das besorgt ein Mann und Schwabe.

Etwas mehr Raffgier zeigen

Gut ist das deshalb, weil es zwar nicht erstrebenswert ist, schlechte Eigenschaften zu haben. Die Fähigkeit zu schlechten Eigenschaften abgesprochen zu bekommen aber auch nicht. In angemessener Dosierung sind ein bisschen Machthunger, ein bisschen Brutalität, ein bisschen Gier nützlich, zumindest im Berufsleben und in der Politik. Besonders etwas mehr Gier könnten die meisten Frauen vertragen. In der nächsten Woche ist wieder Equal-Pay-Day, der Tag, der daran erinnert, dass die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen weiterhin groß sind. Das liegt auch daran, dass Frauen nicht gierig genug sind, gut bezahlte Berufe zu wählen und in Gehaltsverhandlungen luftige Summen zu nennen.

Das weibliche Verhaltensspektrum erweitern

Der zweite Grund, warum mehr Fiskalbetrügerinnen hilfreich wären, ist die Erweiterung des Spektrums weiblicher Verhaltensschablonen. Erfreulicherweise hat sich hier in den vergangenen ein bis zwei Jahrzehnten viel getan. Margaret Thatcher konnte noch als seltsames Unikum der Weltgeschichte durchgehen. Heute können sich junge Frauen an Ursula von der Leyen reiben, einer Verteidigungsministerin, die ganz unpazifistisch eine Ausweitung von Bundeswehreinsätzen im Ausland fordert. Oder an Julia Timoschenko, der Oligarchin und Revolutionärin. Was die Diktatorinnen angeht, schaffen es Frauen bisher meist nur zur Gattin – immerhin verschleudern die dann aber oft ganz unnachhaltig das Geld.

Jetzt, da die öffentliche Meinung versucht zu entscheiden, ob sie Uli Hoeneß verzeihen kann, ist es daher Zeit, auch im Fall Schwarzer mildernde Umstände wegen großer Verdienste zu erwägen. Was die Raffgier betrifft, kann sie zwar zugegebenermaßen mit Hoeneß nicht mithalten, 200 000 Euro hat sie nach eigener Auskunft für die letzten zehn Jahre nachgezahlt – gegen Hoeneß’ zweistelligen Millionenbetrug sieht dieses Sümmchen geradezu kleinmädchenhaft aus. Aber immerhin hat sie mehr auf die Seite geschafft als André Schmitz. Der Ex-Kulturstaatssekretär brachte es nur auf fünf Stellen.

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