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Die EU versammelt sich. Wenn Angela Merkel am Donnerstag zum Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs nach Brüssel reist, kann sie dort aus einer mächtigeren Position verhandeln denn je zuvor.

© dpa

EU-Gipfel in Brüssel: Warten auf die Deutschen

Das starke Wählervotum für die Kanzlerin ist vor allem eine Bestätigung ihres Kurses in der Euro-Krise. Gestärkt kann sie nun zum EU-Gipfel nach Brüssel fahren. Die Neuauflage des Bündnisses zwischen CDU, CSU und SPD könnte auch den Erfolgsweg Deutschlands für Europa fortsetzen.

Wenn Angela Merkel am Donnerstag zum Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs nach Brüssel reist, kann sie dort aus einer mächtigeren Position verhandeln denn je zuvor. Das starke Wählervotum für die Kanzlerin ist auch, vielleicht sogar vor allem, eine Bestätigung ihres Kurses in der Euro-Krise. Zudem bleibt die deutsche Volkswirtschaft die einzige mit anhaltend positiven Kennzahlen, selbst wenn man die Anzeichen der Besserung in Irland, Spanien, Italien und Frankreich berücksichtigt. Während diesen Ländern, vor allem aber auch dem Sorgenkind Griechenland, immer noch einschneidende Strukturreformen bevorstehen, hat Deutschland diese dank der ungeliebten Agenda 2010 des Bundeskanzlers Gerhard Schröder längst hinter sich. Dass in der großen Koalition der Jahre 2005 bis 2009 die Konsolidierung der deutschen Wirtschaft mitten in der größten Weltfinanzkrise fortgesetzt wurde, stärkt auch europaweit das Vertrauen, die Neuauflage dieses Bündnisses zwischen CDU, CSU und SPD könne den Erfolgsweg Deutschlands für Europa fortsetzen.

Umso mehr wird von der Bundesrepublik erwartet, dass sie ihre Führungsrolle vor allem in der Euro-Zone noch stärker und offensiver als bislang wahrnimmt und nicht mehr hinhaltend taktiert, wie es Merkel noch beim jüngsten EU-Gipfel getan hat. Damals wollte sie vor der Bundestagswahl keine Signale setzen, die der Wähler als ein Indiz beginnender deutscher Mithaftung für die finanzpolitischen Sünden Südeuropas hätte verstehen können. Zu dieser Erwartung in der EU passt schlecht, dass deutsche Regierungskreise zwar nach wie vor ihre Abneigung gegenüber den Plänen der Kommission zur Bankenrettung spüren lassen, die Bundesregierung selbst aber keine eigenen Vorschläge machen will. Konstruktives Herangehen an die Lösung von Problemen sieht anders aus.

Wenn das internationale Vertrauen in die Stabilität des Euro-Raumes wieder zurückgekehrt ist, liegt das zwar auch an den von den Nordeuropäern unter deutscher Führung durchgesetzten Strukturreformen. Entscheidend aber war die viel gescholtene Festlegung von Mario Draghi im Sommer 2012, die Europäische Zentralbank würde gegen neue Spekulationswellen einsetzen, was notwendig sei. „Und glauben Sie mir, es wird genug sein“ – dieser Satz des EZB-Präsidenten zeigt bis heute Wirkung. Freilich sagten die Staats- und Regierungschefs, Merkel eingeschlossen, schon 2010 das Gleiche. Damals hieß es nach dem Dezembergipfel: Wir stehen bereit, für was auch immer nötig ist, um die Stabilität des Euro zu sichern. Doch für die Finanzwelt zählt der EZB-Chef einfach mehr.

Flüchtlingspolitik wird Thema werden

Weder human noch zielführend ist die deutsche Position zum Umgang mit Flüchtlingen nach den Dramen vor Lampedusa. Flüchtlingspolitik wird aber Donnerstag und Freitag unzweifelhaft Thema sein. Deutschland sehe keine Notwendigkeit, über eine andere Lastenverteilung nachzudenken, heißt es dazu in Berlin. Das ist nicht die entscheidende Frage. Europa muss eine einheitliche Asylpolitik entwickeln, die sich nicht länger nur in der Stärkung der Abwehrmechanismen erschöpft. Ohne eine Quotenregelung für eine legale Zuwanderung wird es nicht gehen, und die hätte selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Einwanderungszahlen nach Deutschland.

Weiteres Reizthema: Aufnahme der Balkan-Länder

Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat unmittelbar vor dem Gipfel ein weiteres Reizthema angesprochen. „Langfristig werden wir die Balkanländer aufnehmen, wenn sie die Kriterien erfüllen“, sagte er in einem „Bild“-Interview. Man kann fast sicher sein, dass die zweite Hälfte des Satzes in Vergessenheit geraten wird, wie das schon bei Bulgarien und Rumänien geschah. Beide Länder, von Korruption geschüttelt, exportieren ihre gesellschaftlichen Probleme, statt sie mit den angebotenen Hilfen zu lösen.

Für die Balkanstaaten aber gilt, dass noch nicht alle EU-reif sind. Ihre Armeen mussten zwar unter dem Druck der Nato aufhören, gegeneinander zu kämpfen. Aber Politiker und Demagogen schüren, nun ohne Waffen, den Hass aufeinander weiter. Dass dafür in der EU kein Platz ist, darf die Bundesregierung durchaus in Brüssel deutlich machen.

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