zum Hauptinhalt
Angela Merkel sprach nach dem gescheiterten Gipfel zu den Pressevertretern.

© dpa

EU-Haushalt: Angela Thatcher zahlt nicht mehr

Die Verhandlungen um den künftigen EU-Haushalt sind vorerst gescheitert. Zwar hat die Europäische Union Erfahrungen mit Haushaltskrisen, doch diesmal geht es um Grundsätzliches. Merkel, Hollande und insbesondere Cameron müssen sich fragen, wie die EU in Zukunft aussehen soll.

Ein ausgewachsener Kerl – am Boden von Liliputanern gefesselt. So kennt man das Bild aus Jonathan Swifts „Gullivers Reisen“ aus Kindertagen. Und ein wenig erinnert die EU derzeit an den großen Gulliver, der sich aus dem Klein-Klein der nationalstaatlichen Interessen nicht befreien kann. Die Verhandlungen um den künftigen Haushalt der EU sind erst einmal gescheitert. Es sieht auch nicht danach aus, dass die EU – anders als Gulliver – auf absehbare Zeit die Fesseln loswerden kann, die ihr die Mitgliedstaaten angelegt haben.

Das Gefeilsche um die Milliarden auf dem EU-Gipfel hat gezeigt, wie klein der machtpolitische Spielraum der Brüsseler Institutionen in Wahrheit ist. Gerade einmal ein Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung beträgt der gemeinsame Haushalt der 27 EU-Staaten. Auch wenn das vergleichsweise wenig ist, haben es die EU-Kommission und das Europaparlament nicht selbst in der Hand, darüber zu bestimmen, wie das Geld ausgegeben werden soll. Eigentlich wäre es sinnvoll, einen möglichst großen Anteil des Etats für zukunftweisende Bereiche wie die Forschung oder den Bau von Energietrassen auszugeben. So könnte sich gewissermaßen der EU-Gulliver erheben. In der Praxis des Gipfel-Geschachers haben aber Angela Merkel, François Hollande und andere das Sagen über Europas Geld. Sie sind die Nettozahler, und sie sind dafür verantwortlich, dass die EU nicht vom Fleck kommt.

Es ist inzwischen fast 30 Jahre her, dass die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher ihre europäischen Partner vor den Kopf stieß, weil sie keinen Penny mehr als nötig nach Brüssel überweisen wollte. In der Zwischenzeit ist Europa in eine schwere finanzielle Krise geraten, die alle Mitgliedstaaten zum Sparen zwingt. Deshalb gehen heute fast alle Nettozahler nach Thatchers Vorbild vor und pochen darauf, ihre Zahlungen nach Brüssel möglichst gering zu halten. Das gilt in erster Linie natürlich für den britischen Premierminister David Cameron, aber auch für Kanzlerin Merkel. Selbst Frankreichs Staatschef Hollande wäre – bei aller Freude über die Segnungen des überdimensionierten Agrarfonds – ganz froh, wenn er die Überweisungen an die EU reduzieren könnte.

Diese Politik des „Wir geben nichts“ hat den Gegensatz zwischen den Gebern und den Nehmern um Polen zwangsläufig noch einmal verschärft. Daher ist es kein Wunder, dass die Verhandlungen über Europas Geld geplatzt sind. Zwar hat die EU schon ihre Erfahrung mit Haushaltskrisen – auch bei den letzten Etatverhandlungen brauchte die Gemeinschaft 2005 zwei Anläufe. Das Problem ist diesmal nur: Die Verteilungsspielräume sind viel geringer als vor sieben Jahren.

Nun wäre es zu einfach, Cameron nur die Rolle des Bösewichts im Brüsseler Milliarden-Poker zuzuweisen. Die Briten haben den Finger in die Wunde gelegt mit ihrem Hinweis, dass der EU-Haushalt mit seinem riesigen Agraretat den Anforderungen des 21. Jahrhunderts nicht gerecht wird. Allerdings wird es auch Cameron bei der Wiederaufnahme der Etatverhandlungen kaum gelingen, den Brüsseler Haushalt komplett neu zu sortieren. Stattdessen wird er den Verdacht ausräumen müssen, dass er im Grunde nichts dagegen hätte, wenn die große Brüsseler Umverteilungsmaschinerie einmal richtig gegen die Wand gefahren würde. Wäre es so, dann müsste sich Cameron auch in anderer Hinsicht ehrlich machen – und sein Land auf ein Referendum vorbereiten, bei dem es um den Verbleib in der Europäischen Union ginge.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false