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Demonstranten in Kiew schwenken die Fahnen der EU und der Ukraine.

© AFP

Treffen zur östlichen Partnerschaft in Vilnius: EU-Ostgipfel zwischen Machtpoker, Feindbildern und gemeinsamen Werten

Die Europäische Union ist international so schwach wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Ein zahnloser Tiger, militärisch ohne Bedeutung und ökonomisch mit innereuropäischer Schadenbegrenzung beschäftigt. Sie wird vom Bekenntnis zu gemeinsamen Werten getragen. Sich denen zu nähern, würde auch Russland guttun.

Die Euro-Krise hat die Europäische Union vom weltweit bewunderten Vorbild zum Unterstützungsfall des Weltwährungsfonds gemacht. Die EU funktioniert nach innen zwar weiter dank eingespielter Bürokratien. International jedoch ist sie so schwach wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Nirgendwo wurde das deutlicher als im Vorfeld des Ostpartnerschaftsgipfels, der jetzt in Vilnius begonnen hat.

Im Streit um das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine zeigte Russland den Eurokraten, was sie, die vermeintlich globalen Player, tatsächlich sind: zahnlose Tiger, militärisch ohne Bedeutung und ökonomisch so stark mit innereuropäischer Schadenbegrenzung beschäftigt, dass sie potenziellen Partnern außerhalb der EU kaum Beistand leisten könnten – eine Tragödie angesichts der Werte, für die Europa steht.

Fordern, drohen, erpressen - Putins Machtpolitik

Nach den klassischen Regeln der Machtpolitik – fordern, drohen, erpressen – nutzte Putins Russland die europäische Schwäche aus und zwang die ukrainische Regierung, die Unterschrift unter das Assoziierungsabkommen mit der EU auszusetzen. Gleiches, wenn auch ohne ähnliches Ergebnis, hatte Moskau gegenüber der Republik Moldau und Georgien versucht. Die Repräsentanten der EU haben Russlands Umgang mit der Ukraine ganz undiplomatisch missbilligt.

An den Fakten ändert das so wenig wie die – inzwischen von ihr selbst revidierte – Ansicht der Bundeskanzlerin, die Ukraine als souveräner Staat müsse ihre außenpolitischen Orientierungen ohne Druck Dritter festlegen können. Wer wirtschaftlich so von einem Nachbarn abhängig ist wie die Ukraine von Russland, hat nur begrenzten Spielraum. Der Streit um die Verbindung der Ukraine mit der Europäischen Union sollte – so sieht es nun auch Angela Merkel – eher der Anlass sein, Russland in das Gespräch einzubinden.

Nicht, um die Entscheidung über Nähe oder Ferne zur EU nach Moskau zu verlagern oder über die Köpfe Dritter hinweg zu fällen, sondern um Putin zu überzeugen, dass am Ende auch das von ihm beherrschte Land von der größeren Europa-Nähe der einstigen Sowjetrepubliken profitieren würde.

Weder die Ukraine noch Georgien oder Moldau werden sich jemals von ihrer abendländisch-christlichen kulturellen Prägung trennen und in eine eurasische Handelsunion umorientieren lassen. Auch Russland selbst negiert ja seine historischen Wurzeln längst nicht mehr.

Wird sich Russland von seinem Feindbild trennen?

Aber bis zu der bitteren Einsicht, dass aus der einstigen Welt- eine immer noch bedeutende Regionalmacht geworden ist, deren Rohstoffreichtum nur eine schwankende Zukunftsbasis bildet, ist es ein langer Weg. Ohne westlich-technisches Know-how, ohne zivilgesellschaftliche Strukturen, ohne Rechtsstaatlichkeit und demokratische Fortschritte wird Russland auch in Jahrzehnten nicht diesen Weg in eine europäische Völkergemeinschaft gegangen sein.

Bei alledem würde die Europäische Union helfen, mehr noch, niemand außer der EU kann Russland dabei helfen, denn andere Nachbarn mit vergleichbarem Potenzial hat das Land nicht.

Für Wladimir Putin ist die Tatsache offensichtlich kaum zu ertragen, dass die Europäische Union mit dem Gipfeltreffen in Vilnius so nahe an der russischen Grenze wie nie zuvor tagt. Sich von Feindbildern zu lösen, wenn man keine Vorstellung von Partnerschaft, sondern nur von unten oder oben hat, fällt schwer.

Die Europäische Union ist kein Militärbündnis. Sie wird vom Bekenntnis zu gemeinsamen Werten getragen. Sich denen zu nähern, würde auch Russland guttun.

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