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Griechenlands Ministerpräsident Antonis Samaras wird bei seinen Reisen nach Berlin und Paris voraussichtlich um mehr Zeit für Reformen bitten.

© DPA

Euro-Krise: Die Griechen brauchen mehr Zeit

Kein Tag vergeht, ohne dass deutsche Politiker Griechenlands Zukunft in der Euro-Zone infrage stellen. Den Griechen kommt es so vor, als habe man sie längst abgeschrieben. Bleibt zu hoffen, dass der Eindruck täuscht.

Griechenland steht auf der Kippe. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob das Land in der Euro-Zone bleibt oder in die Insolvenz abstürzt und die Währungsunion verlassen muss. Ob es dazu kommt, liegt bei den Griechen selbst, aber auch bei ihren Geldgebern, den europäischen Partnern und dem Internationalen Währungsfonds. Bei dem Besuch des Eurogruppen-Chefs Jean-Claude Juncker in Athen und den Reisen des griechischen Premiers Antonis Samaras nach Berlin und Paris in dieser Woche stehen zwar noch keine Entscheidungen, aber wichtige Weichenstellungen an. Samaras will nicht mit leeren Händen auf Reisen gehen. Deshalb arbeitet man im Athener Finanzministerium mit Hochdruck an dem neuen Konsolidierungspaket. Es soll Griechenlands Entschlossenheit unterstreichen, nach langem Zögern und vielen Versäumnissen die Spar- und Reformauflagen der internationalen Geldgeber zu erfüllen. Für viele Griechen bedeutet das neue Einschnitte. Drei Rentenkürzungen gab es bereits seit 2010, jetzt folgt die vierte.

Aber immer mehr Griechen fragen, ob sich die neuen Opfer überhaupt lohnen. Es kommt ihnen so vor, als habe man sie längst abgeschrieben, vor allem in Deutschland. Kein Tag vergeht, ohne dass deutsche Politiker Griechenlands Zukunft in der Euro-Zone infrage stellen. Aus manchen dieser Äußerungen sprechen Enttäuschung und Misstrauen, aus einigen hören die Griechen aber auch Verachtung heraus – wenn etwa Bayerns Finanzminister Markus Söder fordert, an den Hellenen „ein Exempel zu statuieren“. Die Kanzlerin schweigt zu den ständigen Griechenland-Attacken. In Athen schließen manche daraus, dass auch Merkel Griechenland fallen lassen will.

Dabei haben die Griechen durchaus Konsolidierungserfolge vorzuweisen. Das Haushaltsdefizit wurde in den beiden vergangenen Jahren um mehr als sechs Prozent vom Bruttoinlandsprodukt gedrückt. Mit dem neuen Sparpaket will das Land sein Budget um weitere 5,5 Prozentpunkte vom BIP entlasten. Auf deutsche Verhältnisse umgerechnet, entspräche das einer Konsolidierungsleistung von fast 300 Milliarden Euro.

Die Erfolge bei der Haushaltssanierung sind umso bemerkenswerter, als sie in einer schweren Rezession erzielt wurden. Seit Beginn der Krise hat Griechenland fast ein Fünftel seiner Wirtschaftskraft eingebüßt. Der Absturz ist ein Resultat des strikten Sparkurses, den das Land auf Weisung seiner Geldgeber steuern muss. Zugleich erschwert die Rezession die Umsetzung der Konsolidierungsauflagen – ein Teufelskreis.

In Athen gibt es deshalb den Wunsch, das bis 2014 laufende Konsolidierungsprogramm um zwei Jahre zu strecken und so die Lasten auf vier statt zwei Jahre zu verteilen. Premierminister Samaras weiß allerdings, dass Kanzlerin Merkel davon zu diesem Zeitpunkt nichts hören will. Aber beim EU-Gipfel im Oktober wird das Thema wieder auf die Tagesordnung kommen. Ohnehin ist die bisherige Annahme, Griechenland könne sich ab 2015 wieder am Kapitalmarkt mit Krediten versorgen, angesichts des Verfalls der Kreditwürdigkeit Spaniens und Italiens bereits heute illusionär. Reformanstrengungen vorausgesetzt gibt es also gute Argumente dafür, den Griechen mehr Zeit zu geben. Es sei denn, die Kanzlerin hat das Land wirklich bereits abgeschrieben – um die politische und finanzielle Feuerkraft auf die Verteidigung der Krisenstaaten Italien, Portugal und Spanien zu konzentrieren. Eine solche Strategie birgt allerdings erhebliche Risiken.

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