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Euro-Krise: Wie sich der Bundestag selbst entmachtet

Mit bis zu 22 Milliarden Euro beteiligt sich Deutschland an der EU-Hilfe für Griechenland. Im Eiltempo wird in dieser Woche das Gesetz verabschiedet, der Bundestag kann dieses nur noch abnicken. Die Demokratie nimmt wieder einmal Schaden.

Jetzt soll es also ganz schnell gehen. Schon an diesem Montag trifft sich das Bundeskabinett zu einer Sondersitzung, am Mittwoch ist im Bundestag die erste Lesung des Gesetzentwurfes vorgesehen, am Freitag die abschließende dritte. Dann wird ein Bote in den Bundesrat eilen, damit auch die Länderkammer der Rettung Griechenlands noch in dieser Woche ihren Segen geben kann. Bis zu 22 Milliarden Euro soll Deutschland bereitstellen. Zwar fließen keine Steuergelder nach Griechenland, aber die Bundesregierung bürgt für Kredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau und es ist völlig unklar, ob das Land diese jemals zurückzahlen kann.

Eile scheint geboten zu sein, und wie immer sind Krisensituationen die Stunde der Exekutive. Die Regierung handelt, nach dem sie lange gezögert hatte. Die Bundestagsabgeordneten hingegen können das ihnen vorgelegte Gesetz nur noch abnicken. Weder reicht die Zeit, um den Gesetzentwurf ausführlich zu diskutieren, noch reichen fünf Tage, um in der eigentlich gebotenen Ausführlichkeit Experten anzuhören. Die vorgesehenen parlamentarischen Beratungsfristen werden eigens verkürzt. Normalerweise sehen die Regeln des Bundestags vor, dass eine Vorlage drei Wochen bekannt sein muss, ehe sie debattiert werden kann. Auch dem Bundesrat wird normalerweise eine solche Frist zur Prüfung eingeräumt.

Nur fünf Tage wird das Gesetz über die Griechenland-Hilfen also beraten und nicht sechs Wochen wie eigentlich vorgesehen. Wieder einmal entmachtet sich die die Legislative bei einer wichtigen finanzpolitischen Entscheidung selbst. Wieder einmal diktiert die Exekutive mit Verweis auf tatsächliche oder vermeintliche Sachzwänge sowie mit Verweis auf internationale Absprachen das Vorgehen.

Dabei ist dies nicht das erste Mal, dass das Parlament nur noch „ja“ sagen kann. Ähnlich war die Situation auch, als im Oktober 2008 das Bankenrettungspaket verabschiedet wurde. Damals stellte die Bundesregierung den Banken 80 Milliarden Euro für Eigenkapitalhilfen bereit, 400 Milliarden Euro für Bürgschaften. Dramatisch war der Appell des damaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück (SPD) an die Abgeordneten, demnach hat die Weltwirtschaft vor anderthalb Jahren kurz nach der Lehman-Pleite „in den Abgrund“ geblickt. Der damalige Oppositionsabgeordnete Guido Westerwelle und heutige Vizekanzler sprach hingegen von einer „Notverordnung“ und zog damit bewusst eine historisch heikle Parallele zur Weimarer Republik. Doch letztendlich fügten sich die Abgeordneten dem Zeitdruck, auch der FDP-Politiker betonte seine „staatspolitische Verantwortung“.

Das Bankenrettungspaket wurde verabschiedet, vor allem die HRE-Bank wurde damit in letzter Minute vor der Pleite gerettet. Wobei sich später heraus stellte, dass die HRE-Krise weiter schwelte und die Bank ein halbes Jahr später verstaatlicht werden musste.

Der Frage, ob der Zeitdruck damals tatsächlich bestand oder ob er von den Banken im eigenen Interesse geschürt wurde, ist der Bundestag jedoch auch rückblickend nie nachgegangen. Der Frage, was es für das Verhältnis von Exekutive und Legislative bedeutet, wenn das Parlament nur noch abnickt, was die Regierung ihr vorlegt, hat sich das Parlament auch anschließend nicht gestellt. Dabei wäre dies dringend notwendig, denn selbst ohne Krise werden immer häufiger Gesetze nicht im Bundestag und seinen Ausschüssen beraten, sondern in außerparlamentarischen Kommissionen oder Hinterzimmergremien.

Stattdessen wiederholt sich in diesen Tagen Geschichte, auch wenn es um bescheidenere Summen geht. Wenn man so will, blickt dieses Mal das Euro-Land in einen Abgrund. Mit Notkrediten versuchen die Euro-Staaten Griechenland vor dem Staatsbankrott zu bewahren. Im Vergleich zu den gigantischen 480 Milliarden Euro vom Oktober 2008 geht es diesmal nur um überschaubare 22 Milliarden. Aber einmal mehr werden Sachzwänge vorgebracht, einmal mehr wird auf internationale Absprachen verwiesen. Wie schon vor anderthalb Jahren hat das Parlament auch in dieser Woche keine Chance mehr, auf das Gesetzgebungsverfahren tatsächlich ernsthaft Einfluss zunehmen, wieder nimmt die Demokratie schaden.

Es mag ja sein, dass der Zeitdruck real ist und ein Parlament in solchen Situationen Handlungsfähigkeit demonstrieren muss, statt sich in endlosen Debatten zu verlieren. Aber erstens müssen die Parlamentarier darauf achten, dass dies die Ausnahme bleibt und nicht zur Regel wird. Zweitens müssen sie zumindest anschließend der Frage nachgehen, ob das enorme Tempo bei der Verabschiedung des Gesetzes erforderlich war oder ob sie von der Regierung über den Tisch gezogen wurden. Wenn demokratische Gepflogenheiten ausgehebelt werden, dann sollte der Bundestag zumindest anschließend vor dem Wähler Rechenschaft ablegen, auch das gehört in einer parlamentarischen Demokratie zur staatspolitischen Verantwortung.

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