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Kanzlerin Angela Merkerl.

© dpa

Europa-Wahl und Wahlkampf: Merkel und Gabriel mobilisieren noch einmal - Grund ist auch die AfD

Für die Arbeit der großen Koalition ist das Ergebnis der Europawahl egal – aber nur fast. Denn eine Stärkung der AfD kann nicht im Sinne der Kanzlerin sein. Und die Machtfrage in Brüssel kann auch für Sigmar Gabriel noch Probleme aufwerfen.

Von Robert Birnbaum

Dafür, dass es nach gängigem Vorurteil um fast nichts geht, ist Angela Merkel dieser Tage verdächtig oft auf deutschen Marktplätzen unterwegs. Die Europawahl ist aus innen- und parteipolitischer Perspektive üblicherweise keine Schlüsselentscheidung. Sie taugt oft nicht einmal als Zwischenzeugnis für eine Regierung; dafür ist die Beteiligung zu gering und das Wählerverhalten zu zufällig. Aber dass die CDU ihr Zugpferd ins Rennen schickt und die SPD ihren Spitzenkandidaten Martin Schulz zum Zugpferd zu erklären versucht, darf als Hinweis gelten, dass die Dinge diesmal etwas anders liegen.

Das hängt zum einen mit der „Alternative für Deutschland“ (AfD) zusammen. Die CDU tut so, als interessiere sie der neue Rechtsausleger nicht. In Wahrheit kann es der CDU-Chefin Merkel ganz und gar nicht passen, dass die Europawahl der Euro-kritischen Partei die ideale Plattform für einen ersten Zählerfolg bietet. Der Schwung könnte bis in den Herbst reichen, bis zu den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.

Nun spricht zwar viel dafür, dass einer AfD in Landtagen das gleiche Schicksal blühen würde wie anderen Protestparteien, die an ihrer inneren Politikunfähigkeit zugrunde gehen. Das kann aber dauern. Die stillschweigende Merkel-Doktrin, dass die CDU sich vor allem um die liberale Mitte kümmern müsse, weil die Konservativen sie schon von alleine wählten, hätte zumindest einen Knacks.

Auch aus rein numerischen Gründen kann die AfD Merkel nicht egal sein. Niemand erwartet, dass die Kanzlerin ihrer Partei im Europaparlament zu einem derart triumphalen Erfolg verhilft wie bei der Bundestagswahl. Aber allzu deutlich unter der magischen Zahl 40 sollte das Ergebnis auch nicht bleiben. Schon gar nicht, da die SPD eher mit einem etwas besseren Abschneiden als im vorigen Herbst rechnen kann.

Das eine wie das andere reicht nicht aus, um die Gewichte in der großen Koalition ernsthaft zu verschieben. Doch Parteien sind anfällig auch für kleine Klimaveränderungen. Und die Renten-Einigung nach dem Prinzip: Gebt einfach allen alles, was sie wollen, damit bloß Ruhe ist – diese Einigung zeigt, dass die Koalitionsspitzen dem eigenen Frieden nicht trauen.

Bleibt schließlich als Risiko die Kommissionspräsidenten-Frage. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat ja sogar schon der Kanzlerin gedroht für den Fall, dass die Sozialisten die Wahl gewinnen und ihr Spitzenmann Schulz dann nicht Chef der EU-Kommission wird. Steht da der erste echte Krach der Koalition bevor, ein erster Riss zwischen der Merkel und ihrem Vizekanzler?

Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich ist, dass der Abstand zwischen Sozialisten und konservativer Europäischer Volkspartei (EVP) im Europaparlament knapp bleibt – zu knapp, um daraus einen naturgesetzlichen Anspruch für einen Kandidaten abzuleiten.

Also wird verhandelt, im Parlament selbst wie im Kreis der Staats- und Regierungschefs. Wenn dabei dann als mehrheitsfähiger Anwärter nicht der SPD-Mann Schulz herauskommt (und wahrscheinlich genauso wenig der EVP-Favorit Jean-Claude Juncker) – welchen Strick könnte Gabriel seiner Kanzlerin daraus drehen?

So gesehen ist es mit dieser Europawahl eben doch beinahe wie mit denen davor: Innenpolitisch ist ihr Ergebnis fast egal. Aber nur fast.

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