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Umstrittene Verbindung: Bettina Wulff, David Groenewold und Christian Wulff auf dem Oktoberfest 2008 in München.

© dpa

Ex-Bundespräsident wird angeklagt: Christian Wulff kann nicht mehr gewinnen

Die Anklage gegen ihn ist gerechtfertigt, und Christian Wulff bleibt, was er war – ein Getriebener. Es heißt, es geht um die Ehre. In der Tat, um die ging es mal.

Mitleid muss niemand haben mit Christian Wulff, aber etwas Achtung für ihn darf es schon sein. Nach seinem Skandal hat sich der aus dem Amt gedrängte Bundespräsident nicht nach Übersee abgesetzt und die Häme ertragen, als die frühere First Lady ihren Ehebedarf für gestillt erklärte. Ergraut und dünner geworden, markierte er mittels Brillengestell einen optischen Neuanfang, um sich darüber und über seine Perspektiven nie groß auszulassen. Stattdessen stand er leise zu den Opfern der NSU-Morde und seinen wichtigen Worten, dass der Islam zu Deutschland gehört. Es wirkte, als habe einer seine Lehre gezogen aus den kalten Regeln der politischen Macht, dem hitzigen Geschäft der Medien und dem starren Legalismus der Strafverfolger. Nun muss man Zweifel haben. Denn er will kämpfen.

Es heißt, es geht um die Ehre. In der Tat, um die ging es mal. Um den honorigen Status eines bestens beleumundeten Politikers, der sich mit Kraft, Ehrgeiz und Geduld bis an die Spitze des Staates hat rufen lassen. Diese Ehre hat Wulff mit seinen Urlaubs- und Kreditgeschichten, einer halb wahren Ansage im Landtag und einer unglücklichen Auswahl von Kumpels und Kompagnons riskiert und verloren.

Er irrt, wenn er glaubt, der nun wahrscheinlich gewordene Strafprozess bringe sie ihm zurück. Sollte seine Anklage wider Erwarten vom Gericht gestoppt werden, wäre nicht seine Unschuld belegt, sondern nur die fragliche Nachweisbarkeit des Schuldvorwurfs. Ein Grund zu triumphieren wäre das nicht. Gleiches gilt für einen späteren Freispruch zweiter Klasse, im Zweifel für den Angeklagten. Denn aus dem Geschehen erwiesene Unschuld zu destillieren, dürfte auch wohlmeinenden Richtern schwerfallen. Ein gut beratener Wulff hätte sich ein Ende seiner Affäre für 20 000 Euro erkauft. Der Preis war fair.

So kommt erstmals in der Geschichte der Republik ein Ex-Staatsoberhaupt vor Gericht, wegen Korruption dazu. Keine Petitesse. Wulff soll sich als Ministerpräsident beim Vorstand eines Großkonzerns für Marketinginteressen seines Duzfreundes verwendet haben. Wäre diese außerordentliche Peinlichkeit damals ruchbar geworden, es hätte für einen Rücktritt gereicht, auch ohne jene Gefälligkeiten, mit denen der ihm verbundene Unternehmer seinen Wulff geschmeidig gemacht haben soll.

Letztlich bleibt der Eindruck, Wulff könne sich aus seiner Rolle als Getriebener nicht befreien. Zuletzt wird man ihm eingeredet haben, er sei ein Opfer staatsanwaltschaftlichen Blutdurstes geworden, weil bei ihm gründlicher als bei anderen mutmaßlich Korrupten ermittelt worden ist. Dabei sollte das eine Selbstverständlichkeit sein, geht es doch um das politische Spitzenpersonal der Republik und nicht um irgendeinen Berliner Bezirksbeamten.

Mehr als gründlich wird derzeit auch in Hamburg gegen Gregor Gysi wegen angeblich falscher eidesstattlicher Versicherung ermittelt. Sollte man das lassen? Und wie hätte die Öffentlichkeit reagiert, wäre Wulffs Siemens-Aktion erst herausgekommen, nachdem das Verfahren gegen ihn mangels Tatverdacht eingestellt worden wäre? Das Vertrauen in die Justiz wäre stärker erschüttert als jetzt.

Doch Wulff hofft tatsächlich, statt seiner käme jetzt die Staatsanwaltschaft auf die Anklagebank. Es ist so weit. Er tut einem leid.

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