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Mario Draghi. Der EZB-Präsident laviert sich genauso durch, wie es die Politik tut.

© AFP

EZB am Wendepunkt: Draghis Mittelweg

Mario Draghi laviert sich mit seiner Entscheidung für unbegrenzte Anleihenaufkäufe genauso durch, wie die Politik es tut. Aber wie es nach dieser Krise weitergehen soll, bleibt offen. Die EU kann auseinanderbrechen oder doch noch zu einer starken politischen Einheit heranwachsen.

Der gestrige Donnerstag markiert tatsächlich einen Wendepunkt in der noch kurzen Geschichte des Euro. Die EZB begibt sich nun ganz offiziell in die Abhängigkeit der Politik. Künftig wird sie Anleihen klammer Euro-Staaten aufkaufen, falls sich diese der Kontrolle der Rettungsfonds EFSF und ESM unterworfen haben. Die Zentralbank und die Politik sind jetzt in der Krisenbewältigung aneinandergekettet, nicht nur lose voneinander abhängig.

Eine einzige Gegenstimme gab es im Rat der EZB, sie kam von Jens Weidmann. Dabei kann sich der Bundesbankpräsident zugute halten, den Weg der EZB maßgeblich beeinflusst zu haben. Seine Stimme zählt zwar auch nicht mehr als die seines maltesischen Amtskollegen, aber trotzdem ist er mit seinen Argumenten wenigstens etwas durchgedrungen. Denn dass die Politik der wichtigste Akteur der Krisenbewältigung sein muss, wie Weidmann postuliert, ergibt sich logisch aus Draghis Erläuterungen. Die EZB sieht sich erst am Zug, wenn die politischen Instrumente genutzt werden.

Die Vergemeinschaftung der Risiken hat also einen Hauch von politischer Legitimation. Und der Umstand, dass die EZB nur Anleihen mit kurzen Laufzeiten von bis zu drei Jahren erwerben wird, hält den Reformdruck aufrecht. Die EZB hat Zeit gekauft, und sie schafft auch Transparenz, weil sie ihre Anleihekäufe wöchentlich veröffentlichen wird. Jens Weidmann hat sich zwar nicht mit der reinen Lehre durchgesetzt, aber es zeigt sich, was ein Querdenker ausrichten kann, selbst wenn er nur wenig Macht hat.

Video: EZB will Anleihen kaufen - ohne Limit

Deswegen ist es folgerichtig, dass er sich entschieden hat zu bleiben. Viel war da allerdings nicht zu entscheiden. Er wusste schon vor Amtsantritt, dass er in der EZB ziemlich allein stehen würde. Sein Vorgänger war schließlich deswegen zurückgetreten. Da ist auch die erklärte Unterstützung der Bundeskanzlerin und des Bundesfinanzministers kaum mehr als ein symbolischer Akt am Rande. Denn die Bundesbank ist unabhängig von der Politik, darauf pocht schließlich Jens Weidmann selbst. Noch entscheidender ist: Die Politik ist unabhängig von der Bundesbank und macht, was sie will.

Video: Geteiltes Echo auf EZB-Entscheidung

Das heißt derzeit: Sie macht so viel und vor allem so wenig, wie sie will. Es gibt den klaren Kurs aus der Krise nicht, den Jens Weidmann einfordert. Es gibt ihn wahrscheinlich vor allem deswegen nicht, weil er keine politischen Mehrheiten fände. Deswegen werden die roten Linien immer weiter verschoben, deswegen sollte es die EZB richten.

Mario Draghi hat sich für einen Mittelweg entschieden und laviert sich damit letztlich genauso durch, wie die Politik es tut. Mit Sicherheit ist das in der Theorie weder die billigste noch die schnellste oder demokratischste Variante. Aber innerhalb der bestehenden Strukturen ist es vielleicht die einzig mögliche. Diese Krise muss gelöst werden, damit die EU überhaupt eine Zukunft haben kann. Aber wie es dann weitergehen soll, bleibt bis dahin völlig offen. Die EU kann auseinanderbrechen, sie kann ein Binnenmarkt mit labiler Währung bleiben oder doch noch zu einer starken politischen Einheit heranwachsen, die sich mit den USA und China messen kann.

„Der Euro ist unumkehrbar“, hat Mario Draghi am Donnerstag noch einmal gesagt. Der Satz bleibt falsch. Selbstverständlich kann der Euro scheitern. Aber an der EZB wird es nicht liegen. Fast sieben Jahre läuft die Amtszeit von Jens Weidmann noch. Die Krise müsste dann eigentlich vorbei sein – und seine Haltung mehr Konjunktur haben.

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