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Meinung: Fachkräftemangel in der Regierung

Wer nicht in die Klugen investiert, darf sich über die Konsequenzen nicht wundern

Auf eines kann man sich verlassen in der Hoch- und Endphase eines Aufschwungs: Es wird lauthals über Fachkräftemangel geklagt, die Branchenverbände fürchten Wachstumseinbußen wegen unbesetzter Stellen, und dann diskutieren alle zusammen über eine bessere Einwanderungspolitik. Oder über mehr Ausbildung. Oder über beides. So war es am Ende der 80er Jahre, so war es im Jahr 2000, so ist es diesmal.

Ein paar Monate später, wenn der Aufschwung zu Ende ist, dreht sich das Bild. Dann werden die Unternehmen aufgefordert, nicht immer zuerst die älteren Arbeitnehmer rauszuwerfen. An den Universitäten wird über wachsende Jungakademikerarbeitslosigkeit diskutiert. Und die Inder, Weißrussen oder Chinesen, die man so verzweifelt eingeladen hatte zu kommen, die würde man jetzt am liebsten schnellstens wieder los.

Es gibt kaum ein Thema, bei dem mehr Krokodilstränen fließen werden als hier. Denn jeder weiß, dass man den konjunkturell bedingten Mangel nur dann beseitigen könnte, wenn man extrem flexible Arbeitsmärkte und Löhne für einheimische wie für ausländische Arbeitskräfte hätte. Die aber sind gesellschaftlich nicht erwünscht. Zumal der Mangel ja in aller Regel zu höheren Löhnen führt, die gesellschaftlich sehr erwünscht sind. Deshalb wird dieses Land damit leben müssen, dass es in der Hochphase der Konjunktur an Fachkräften mangelt. Auch das daraus resultierende gedämpfte Wachstum muss es hinnehmen.

Anders ist es mit dem strukturellen Mangel an Fachkräften und an Akademikern. In Deutschland studieren zu wenig junge Menschen eines Jahrgangs, Universitäten und Hochschulen werden mit immer neuen Sparprogrammen konfrontiert, ohne selbst das Handwerkszeug zu haben, den Wandel ordentlich managen zu können. Daran ließe sich in der Tat etwas machen, wenn man die Aufgabe ernst nähme. Und vielleicht ist der Anlauf von Wissenschaftsministerin Annette Schavan, mehr junge Leute zum Studium zu führen, ja auch der erste Schritt dazu.

Zu diesen Plänen allerdings passen weitere Sparprogramme kaum. Um ein positives öffentliches Klima für Universitäten, Innovation, Forschung und Spitzentechnologie zu schaffen, muss man schon bereit sein zu investieren. Klar, auch Geld. Vor allem aber muss man politische Energie investieren. Statt alle Zeit, allen Streit und alles Geld auf Kinder, Klima und Hartz IV zu verwenden, muss sich die große Koalition auch um die Starken und Klugen kümmern. Wenn man die vernachlässigt, darf man sich nicht wundern, wenn die Fachkräfte irgendwann nicht nur am Ende eines Aufschwungs fehlen. Wenn man aber beginnt, systematisch in sie zu investieren, verbessert man auch das Potenzial für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze. Wenn die Regierung bei ihrer Klausur in Meseberg ernsthaft die Voraussetzungen für mehr Fachkräfte schaffen will, muss das an erster Stelle stehen.

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