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Ein Flugzeug über dem neuen Flughafen BER.

© dpa

Falsche Flugrouten: Über die Köpfe hinweg

Lachen könnte man schon darüber, dass den Behörden erst jetzt auffällt, dass ein Forschungsreaktor an der geplanten Startstrecke herumsteht. Zum Heulen ist aber, dass Gerichte sie darauf stoßen müssen. Und dennoch: Die vielen Skandale rund um den BER haben auch etwas Positives.

Hat West-Berlin jetzt gewonnen? Über den Wannsee sollen die Flieger des Irgendwann-vielleicht- mal-Großflughafens Berlin-Brandenburg nicht donnern dürfen (so sie überhaupt in Schönefeld abheben sollten), über den Müggelsee schon. Und wer schert sich groß um die kleinen Gemeinden rund um Werder, die infolge des Urteils des Oberverwaltungsgerichts womöglich noch mehr Krach auf die Ohren bekommen? Egal, wie man diese Frage beantwortet (und es gibt flugtechnisch und bevölkerungsstatistisch sicherlich gute Antworten dafür), sie verbirgt den Kern der lärmenden Flugrouten-Debatte: Wohin mit dem Krach, der regelmäßig vom Himmel fällt? Die naheliegende Reaktion aller Hausbesitzer und Villenmieter ist so verständlich wie schlicht: Bloß nicht zu mir! Wer dieser Logik folgt, wird gar kein Flugdrehkreuz mit Weltanschluss in Stadtnähe mehr bauen können. Unabhängig davon, dass das beim Fluchhafen Schönefeld sowieso nicht zu klappen scheint, wäre der Preis dafür zu hoch, nicht nur für die Anrainer des Eigentlich-mal- Kleinflughafens Tegel. Sondern für ganz Ost-West-Nord-und-Süd-Berlin.

Wie jede der unzähligen Pleiten am BER hat auch die jüngste juristische Niederlage der politischen Hobbynavigierer eine lustige und eine traurige Seite. Lachen könnte man schon darüber, dass den zuständigen Behörden erst jetzt auffällt, dass ein Forschungsreaktor an der geplanten Startstrecke herumsteht, den man ins Genehmigungsverfahren einbeziehen sollte – selbst wenn er gerade sowieso überflogen wird; selbst wenn ein Flugzeug ihn nur mit Kleinstwahrscheinlichkeit zu treffen vermag; selbst wenn sich mögliche Terroristen selten an Flugrouten halten.

Zum Heulen ist allerdings, dass die Behörden erst durch gerichtliche Verfahren und eine engagierte Öffentlichkeit darauf gestoßen werden müssen, Umwelt- und Sicherheitsbelange in ihre geheimnistuerische Planung einzubeziehen. Übrigens: Es handelt sich hier um eine Fehlplanung, die diesmal der Bund zu verantworten hat, mal nicht die Politik von Berlin oder Brandenburg – und die deshalb im Bundestagswahlkampf noch zur politischen Verhandlung gebracht werden kann. Ganz und gar nicht übrigens: Der Mensch, der am Boden bleibt, kann sich auf die über seinen Kopf hinweg skizzierten Flugwege sowieso nicht einstellen. Die Routen können sowohl in der Bauphase als auch danach immer wieder hin- und hergeändert werden. Welcher Anrainer am Ende die volle Dröhnung abbekommt, lässt sich erst nach Flughafeneröffnung genau ermitteln. Mit der nötigen Transparenz hat das so wenig zu tun wie die vor sich hinkokelnde Brandschutzanlage mit dem gültigen Baurecht.

Wenn der erneute Absturz der Flughafenplaner etwas Gutes hat, das über einen schön stillen Wannsee hinausreicht, dann dieses: Jeder Planungspfusch des BER wird mit zunehmender Wartedauer nachträglich seziert und wirft damit für andere Großprojekte unabdingliche Fragen auf: Wie realistisch sollten hochfliegende Pläne sein? Wie exakt müssen Kosten und Nutzen und Bauplanung von vornherein dargestellt werden? Wie ernsthaft werden Bürger – auch jene, die nicht direkt betroffen sind – wirklich beteiligt? Wie sieht eine funktionierende politische Kontrolle aus? Die Debatte darüber wird noch bis zur Irgendwann-mal-Eröffnung des BER andauern, also viele Jahre. Das ist sicherlich nervig, aber ein Gewinn für die Gesellschaft. Verlierer ist so lange Nord-Berlin. Und die ganze Stadt sowieso.

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