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Meinung: Falsche Meldung, echter Zorn

Von Joachim Huber

Die Meldung war klein, die Wirkung ungeheuer. Das USNachrichtenmagazin „Newsweek“ hat über Koran-Schändungen im Gefangenenlager Guantanamo berichtet. Koran-Exemplare seien in Toiletten ausgelegt, eines davon sei heruntergespült worden. Der Bericht hatte nicht nur in Afghanistan Massenproteste ausgelöst. Dutzende Menschen wurden getötet und verletzt. Jetzt hat sich der „Newsweek“-Chefredakteur entschuldigt, er spricht von einem „Fehler“ und versieht die Quellen mit unübersehbaren Fragezeichen. Der Schuldige bekennt, der Schaden bleibt. In einer globalisierten Nachrichten-Welt wird jede Meldung auf Leser, Hörer und Seher treffen, die sich darüber freuen oder empören. Und der Urheber muss wissen, dass jede Meldung, nachdem sie über verschiedene Wege und Umwege, richtig übermittelt oder verzerrt übertragen wurde, in gewissen Milieus unkontrollierbare Wirkungen und Emotionen auslösen kann. Das gilt für den Westen ebenso wie für die islamische Welt.

Also keine Meldungen über Koranschändungen? Doch, auf jeden Fall. Fehlverhalten muss öffentlich gemacht werden, wie bei den Misshandlungen von Abu Ghraib. Aber die Fakten müssen stimmen. Westliche Medien sind frei in der Recherche und in der Veröffentlichung des Recherchierten. Das macht sie stark, sichert Ansehen und Einfluss – im Westen, aber auch im Irak, in Afghanistan, in Pakistan und Indonesien. Es hat etwas Makabres, dass angebliche Koran-Schändungen dort zu Mord und Totschlag führen: in Ländern und Gesellschaften, wo Unterdrückung und Folter noch immer größere Tradition besitzen als Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit. Die „Newsweek“-Meldung wurde geglaubt. Das ist eine gute Nachricht, weil sie zeigt, dass westliche Medien als glaubwürdig angesehen werden. Die schlechte Nachricht: Die Meldung ist offensichtlich falsch. Das ruiniert die Glaubwürdigkeit und setzt all die wahren und wichtigen Nachrichten unter Druck. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Eine globale Reaktion.

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