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Kristina Schröder, Ursula von der Leyen und Angela Merkel.

© dpa

Familienpolitik: Betreuung für Angela Merkel gesucht

Vor allem die Kanzlerin war bisher keine Antreiberin, wenn es um die Familienpolitik ging. Deshalb sollte die SPD in einer großen Koalition das Familienressort beanspruchen. Angela Merkel braucht in dieser Hinsicht schließlich etwas Druck.

Von Hans Monath

Im Nachhinein erscheint es wie ein politischer Betrug oder zumindest wie Schönfärberei in einem besonders schweren Fall. Alles sei bestens in der Familienpolitik, hatte Familienministerin Kristina Schröder (CDU) verkündet, als sie ein Vierteljahr vor der Wahl die Einzelbausteine der bislang gründlichsten wissenschaftlichen Untersuchung aller Familienleistungen in Deutschland vorstellte: Es gebe keine Probleme oder Zielkonflikte, hieß ihre Lesart der Studie – in meinem Häuschen ist alles paletti!

In Wirklichkeit sind die Autoren der vor vier Jahren in Auftrag gegebenen „Gesamtevaluation der ehe- und familienbezogenen Leistungen“ weit davon entfernt, jeden Widerspruch in der komplizierten Konstruktion von 156 staatlichen Familienleistungen mit weißer Salbe zuzuschmieren. Das zeigt zum Beispiel ihre Kritik an Ehegattensplitting und Kindergeld. Die „Wahlfreiheit“ der Eltern, die Schröder im Juni als hohes Gut pries, war den Autoren der Studie nie als politisches Ziel vorgegeben worden, an dem sie Leistungen messen sollten.

Aus politischer Sicht bedeutet die nun vorgelegte Bewertung der Gesamtstudie durch drei Wirtschaftsinstitute: Die Grundsatzentscheidungen der Ministerinnen Renate Schmidt (SPD) und Ursula von der Leyen (CDU) zum Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung und zur Einführung des Elterngeldes ermöglichen eine bessere Entwicklung vieler Kinder. Sie stabilisieren die wirtschaftliche Lage von Familien, sie erleichtern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und tragen auch dazu bei, dass Väter mehr von der Familienarbeit übernehmen. Das ist im Sinne des Gleichstellungsauftrags des Grundgesetzes. Nicht zuletzt stärken sie das Land ökonomisch. Jeder Euro, den der Staat für diese Ziele ausgibt, kommt wieder zurück.

Zwischen den Zeilen wird auch klar: Unter Schwarz-Gelb sind notwendige Korrekturen und Weiterentwicklungen ausgeblieben, es waren vier verlorene Jahre für die Familienpolitik. Die Familienpolitiker der CSU sollten dankbar sein, dass die Wirkung des Betreuungsgeldes noch nicht zum Forschungsauftrag gehörte. Für wie kontraproduktiv sie diese widersprüchliche Leistung halten, haben beteiligte Wissenschaftler an anderer Stelle in aller Klarheit deutlich gemacht.

Den Stillstand hatte in erster Linie auch nicht die unerfahrene Familienministerin zu verantworten, sondern Angela Merkel. Schon während der großen Koalition 2005 bis 2009 war es nicht die Kanzlerin, die Fortschritte erkämpfte. Sie ermöglichte sie nur, nachdem sich die Machtverhältnisse längst geklärt hatten. Für die große Koalition, die sich abzeichnet, heißt das: Merkel braucht einen familienpolitischen Antreiber.

Deshalb muss das Familienressort in der Aufstellung der SPD eine zentrale Rolle spielen. Es ist möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass alle familienpolitische Vernunft am machtpolitischen Starrsinn Horst Seehofers scheitern wird. Seine CSU würde im Zweifel lieber auf die Regierungsbeteiligung verzichten als auf das Betreuungsgeld. Aber wenigstens versuchen sollte es jemand. Die Mehrheit der Deutschen würde das begrüßen. Und irgendwann hat Merkel immer zur Mehrheit gefunden, wenn ihr jemand dabei half.

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