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Meinung: Familienpolitik: Nicht in der Stimmung

Die jüngste Deutschlandtrend-Umfrage hat Kurioses zu Tage gefördert: Die Wähler trauen der rot-grünen Regierung auf fast allen Feldern der Politik zwar immer weniger zu, auf einem Gebiet allerdings liegt sie weit vor der konservativen Konkurrenz: in der Familienpolitik. Ausgerechnet.

Die jüngste Deutschlandtrend-Umfrage hat Kurioses zu Tage gefördert: Die Wähler trauen der rot-grünen Regierung auf fast allen Feldern der Politik zwar immer weniger zu, auf einem Gebiet allerdings liegt sie weit vor der konservativen Konkurrenz: in der Familienpolitik. Ausgerechnet.

An welche Erfolge der Familienministerin die Befragten bei ihren Antworten wohl gedacht haben mögen? Christine Bergmanns wahrscheinlich wichtigstes Projekt jedenfalls, die Verpflichtung der Unternehmen, Frauen zu fördern, scheiterte am Veto eines Kanzlers, der eher ein Auto-Mann und eben keiner für "Gedöns" ist. Das Gleichstellungsgesetz hätte helfen können, eine Kardinalfrage moderner Gesellschaftspolitik zu lösen: die der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dass das gescheitert ist, hat keiner richtig bemerkt. Die Probleme, mit denen sich Familienpolitik beschäftigt, gehen fast jeden an. Dennoch sind sie in der breiten Öffentlichkeit schlicht kein Thema. Und wo die Regierung nicht unangenehm auffällt, hält man sie offenbar für erfolgreich.

Kinder sind unsere Zukunft - auch wenn das jeder Sonntagsredner weiß, bleibt es doch wahr. Ob Kinder Bildungschancen haben und wie gut die sind, davon hängt es ab, welche Arbeitslosenquote wir in Zukunft haben oder ob wir einer wachsenden Zahl alter Menschen noch genügend Rente werden zahlen können. Das alles sind keine weichen Themen, sie sind vielmehr weit härter als die Frage, ob Deutsche in Kabul führen oder ob der Verteidigungsminister sich 73 neue Transportflugzeuge zulegen kann oder nur 40.

Ob allerdings überhaupt Kinder geboren werden, ist etwas, was zwar nicht rein privat entscheiden wird, aber erst recht nicht im Berliner Regierungsviertel. Ob man den Mut dazu fasst, hängt ganz wesentlich davon ab, ob junge Erwachsene glauben, dass die Gründung einer Familie weder ihre Berufspläne unzumutbar beschneidet noch das Recht ihrer Kinder auf Zuwendung.

Die brauchen aber - Ehemänner und -frauen, Geliebte und Freunde übrigens auch! - ein Minimum an Verlässlichkeit. Das ist im noch immer krisenfesten Leitbild des erfolgreichen Berufstätigen aber nicht vorgesehen. Der - oder die - kennt nämlich keinen gesicherten Feierabend, ist oft auch im Urlaub per Handy noch fest mit dem Arbeitsplatz verbunden und jederzeit einsatzbereit.

Wie bringe ich Familie und Beruf, Leben und Arbeit zusammen? Die Gretchenfrage scheint die Politik zu überfordern, zumindest haben ihre Institutionen für dieses übergroße Problem schon seit Jahrzehnten kein Rezept. Die außerparlamentarischen Bewegungen, die der Frauen allen voran, haben sich daran versucht. Seitdem sehen die Führungsetagen von Verwaltungen und Firmen etwas bunter aus, am Leitbild aber hat sich nur geändert, dass sich ihm jetzt auch Chefinnen anpassen dürfen.

Wenn wirklich, wie Allensbach kürzlich herausfand, das Familienleben Männern wie Frauen weit wichtiger ist als der Beruf - warum tun wir dann so wenig dafür, sie in Balance zu bringen, warum verhandeln wir nicht hart um andere, bessere Arbeitsbedingungen?

Die klassische Intervention von Vater Staat könnte jedenfalls ausgereizt sein. Dass Kinder arm machen, die Gründung einer Familie Verelendung mindestens beschleunige, all diese Glaubenssätze der Debatte hat die Allensbach-Umfrage nicht belegen können. Familie in Deutschland braucht nur bedingt mehr Geld - sie braucht vor allem eine andere Kultur. Und Bergmann könnte sich dafür beim Kollegen Werner Müller ein paar Tipps holen. Auch der sitzt nicht wirklich an Schaltern, mit denen sich die deutsche Wirtschaft justieren ließe, aber er betreibt zumindest Psychologie. Stimmung machen können, ist das härteste unter den weichen Instrumenten der Politik - und ganz besonders wichtig für das harte Thema: Kinder.

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