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Außenminister Guido Westerwelle.

© dapd

FDP: Letzter Akt der Ära Westerwelle

Einen geordneten Neubeginn in seiner Partei zu organisieren, dafür fehlt Westerwelle offenkundig die Kraft. Warum aber sollte man darauf vertrauen, dass er über weitere zwei Jahre hinweg das Land geordnet als Außenminister in der Welt vertreten kann?

Von Antje Sirleschtov

Es gibt kein richtiges Leben im Falschen. Und es ist beruhigend, dass diese Erkenntnis wie im kleinen Dasein auch in der großen Politik zu gelten scheint. Lange hat Guido Westerwelle seiner FDP weisgemacht, dass die Freiheit nur eine von vielen Ideologien ist. Seine Ideologie des „Mehr Netto vom Brutto“. Doch die Bürger haben sich als aufgeklärter erwiesen, als er dachte und haben die selbsternannte „Freiheitsstatue“ längst zum Teufel gejagt. Was seine Partei der entsetzten Öffentlichkeit dieser Tage zeigt, ist nur noch der letzte Akt eines Schauspiels. Die Ära Westerwelle hat ihren Zenit schon lange überschritten. Jetzt kann jeder sehen: Es ist vorbei.

Und nun? Säße die FDP in der Opposition, könnte sie sich vielleicht in aller Ruhe besinnen. Nötig wäre eine liberale Kraft im deutschen Parteienspektrum schon. Gerade jetzt, da überall die Ungleichgewichte zunehmen, soziale Spannungen und gesellschaftliche Bedrohungen zukunftsweisende Lösungen erfordern. Toleranz statt Radikalisierung, Vernunft statt Konfrontation. Aus diesen Gedanken könnte eine FDP keimen, der sich die Bürger wieder zuwenden würden. Dazu braucht es die richtigen Leute, Zeit – und vor allem die Chance zum streitigen Diskurs.

All das jedoch hat die FDP nicht. Auch, wenn die Kanzlerin so tut, als ginge sie der Streit um alte Schuld und neue Posten nichts an. Das Land, und da liegt Angela Merkels Verantwortung, wird von einer Koalition regiert, zu der die FDP gehört. Es ist im Grunde sehr einfach: Die Menschen haben einen Anspruch darauf, dass die Probleme in ihrer Umgebung, in Europa und der Welt von ihrer Regierung ernst genommen und ihre Interessen gewahrt werden. Und zwar nicht irgendwann, wenn der Selbstfindungstrip eines Koalitionspartners überstanden ist, sondern jetzt und hier. Sollen wir bei jedem Gesetz, das im Bundestag liegt, darauf warten, dass sich die FDP zwischen rechts und links, zwischen gestern und morgen entscheidet?

Vor einer Woche, nach dem Wahldesaster im Südwesten, hat der FDP-Vorsitzende Westerwelle einen „geordneten“ Prozess der Aufarbeitung versprochen. Seither herrscht in der Partei Chaos. Die Fraktionsvorsitzende Homburger will nicht Bauernopfer sein, der Wirtschaftsminister Brüderle sein Staatsamt nicht hergeben. Der Gesundheitsminister Rösler möchte vielleicht Parteichef sein, aber nur dann, wenn er dafür ein attraktiveres Ministeramt bekommt. Und als ob das noch nicht genug wäre, will Generalsekretär Lindner acht Kernkraftwerke schließen. Mal eben so, ohne Gesetz, weil es gerade passt. Einen geordneten Neubeginn in seiner Partei zu organisieren, dafür hat Guido Westerwelle ganz offenkundig nicht mehr die Kraft.

Warum aber sollten die Wähler darauf vertrauen, dass dieser gescheiterte Parteichef weitere zwei Jahre lang als Vizekanzler Deutschland geordnet mitregieren und als Außenminister in der Welt vertreten kann? Darauf gibt es keine plausible Antwort. Und jeder, der an Hans-Dietrich Genscher erinnert, sollte sich fragen, ob er wirklich die erstarrten Verhältnisse der Regierung Kohl zurückhaben will. Dass sich Westerwelles Stellvertreter nicht trauen, ihrem Chef die ganze Wahrheit zu sagen, mag menschlich zu verstehen sein. Doch die halbe Lösung wird sich schon sehr bald als Scheinlösung erweisen. Das Richtige im Falschen geht eben nicht.

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