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FDP: Unsere neuen Fundis

Einst war die FDP eine kleine staatstragende Partei. Es war einmal. Denn jetzt haben wir Westerwelle. Die neubürgerlichen Avantgardisten der FDP verstehen nichts vom Leben.

Es war einmal eine kleine staatstragende Partei. Sie brachte Spitzenpolitiker hervor, deren Namen zum Inbegriff einer ganzen Epoche geworden sind. Der Genscherismus, jene unfassbare Kunst größter Ungenauigkeiten und Kompromisse, hat die Welt verändert. Und das Wende-Papier eines kantigen Grafen Lambsdorff das Land. Ja, zum Erwerb der nötigen sieben, acht Prozent Wählerstimmen mussten Klientelinteressen bedient werden. Das erledigte man geschmeidig und war ansonsten liberal, je nach Lage mit der SPD oder der Union.

Es war einmal. Jetzt haben wir Westerwelle. Und Rösler. Und Bahr. Und Lindner. Sie sind Minister, Staats- und Generalsekretäre, neubürgerliche Avantgardisten, die mit dem Kopf durch die Wand gehen. Sie ähneln, sieht man von Kleidung und Haarschnitt ab, längst vergangenen Gestalten, den Fundis der 70er-Jahre-Linken oder denen der 80er-Jahre-Grünen. Guido Westerwelle, 48 Jahre, ist ihr Meister. Wenn es eng wird, wie dieser Tage, dann sagt er schon mal: Ich habe eine Engelsgeduld, aber ich kann auch anders. 15 Prozent produzieren das Bewusstsein, man sei klüger als der Rest.

Seine junge Garde sind Gesundheitsminister Philipp Rösler,36 Jahre, dessen Staatssekretär Daniel Bahr, 33 Jahre, und FDP-Generalsekretär Christian Lindner, 31 Jahre. Wir machen Bekanntschaft mit Politikern neuen Typs. Der wichtigste Unterschied zu ihren linken oder grünen Vorgängern: Sie regieren. Die größte Gemeinsamkeit: Sie wissen wenig bis nichts davon, dass der Mensch krummes Holz ist und demokratische Politik folglich der tägliche Umweg, für den man Grundsätze braucht, Verbündete und einen Realitätssinn, der widerstreitende Interessen verstehen will.

Der fast rührend sympathische Rösler, der mit der Erfahrung eines Landesministers seinen Schleudersitz einnehmen musste, will das Gesundheitssystem in Richtung Kopfpauschale umbauen. Der unübersehbaren Tatsache, dass CDU und CSU ihre Wähler damit ganz und gar nicht verschrecken wollen, setzt er mit kindlichem Trotz die vage Formulierung des Koalitionsvertrags entgegen.

Gut, dass er mit Bahr einen Staatssekretär hat, der mehr von der Sache versteht. Wenn auch nicht vom Leben. Im Vergleich zu den heutigen Mittfünfzigern hat sich der Weg von der Schulbank zur Politik als Beruf noch einmal deutlich verkürzt: Der Jüngste im Bunde, Generalsekretär Lindner, hat 1998 Abitur gemacht und wurde 2000 Landtagsabgeordneter. Er weiß: Der Staat ist ein teurer Schwächling. Bei seiner ersten Bundestagsrede versenkt er Grün und Rot beiläufig in ideologische Mottenkisten. Sein angekündigter Paradigmenwechsel soll „Freiheit vor Gleichheit“ setzen. Indes: Erst in einigen Monaten werde die FDP ihre gesellschaftspolitische Vision näher beschreiben.

Jedes verlorene Umfrageprozent löst bei unseren neuen Fundis nur eine Reaktion aus: Steuersenkung! Jetzt erst recht! Toben sie sich neuerdings in der Politik aus, die schneidigen Risikospieler, die alles auf eine Karte setzen?

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