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Meinung: Feinde finden sich immer

Von Clemens Wergin

Es gehört zum Geschäft islamistischer Terroristen, den Mund sehr voll zu nehmen. Wenn eine Untergruppe von Al Qaida Europa jetzt den „blutigen Krieg“ erklärt, soll allein schon die Ankündigung Angst und Schrecken verbreiten. Mitte April hatte Osama bin Laden einen dreimonatigen Waffenstillstand erklärt. Wenn die europäischen Regierungen in dieser Zeit ihre Soldaten aus Afghanistan und Irak abziehen würden, wolle er von weiteren Angriffen absehen. Dieses Ultimatum ist abgelaufen. Deshalb kündigen die AbuHafs-al-Masri-Brigaden jetzt im Internet an, Europa mit Krieg zu überziehen, „bis ihr zum rechten Weg zurückgekehrt seid“. Die Gruppe trägt den Namen eines engen Gefährten bin Ladens, der beim Krieg in Afghanistan ums Leben kam. Sie hat sich zu den Anschlägen in Istanbul und Madrid bekannt. Ob diese Selbstzuschreibungen immer stimmen, ist zweifelhaft. Als sicher gilt hingegen, dass Al Qaida irgendwann wieder in Europa zuschlagen wird. Erstes Land auf der Liste ist Berlusconis Italien, schließlich hat Rom seine Truppen im Irak auch nach dem schweren Anschlag in Nassirijah nicht abgezogen. So viel Standhaftigkeit fordert die Extremisten heraus.

Es passte bisher nicht ins politische Kalkül Al Qaidas, jene Staaten anzugreifen, die sich dem Irakkrieg verweigert haben. Sicher: Briten, Italiener und Polen sind immer noch am stärksten gefährdet. Wo die Terroristen zuschlagen, hängt aber auch davon ab, in welchem Land sie ortskundige Sympathisanten finden, mit denen sie zusammenarbeiten können. Daran mangelt es auch in Deutschland nicht. Wer glaubt, Al Qaida werde einen Bogen um dieses Land machen, weil Regierung und Bevölkerung den Irakkrieg ablehnen, wiegt sich in falscher Sicherheit. Hier hat bisher wenig Beachtung gefunden, womit sich einer der Organisatoren der Madrider Anschläge, der von italienischen Behörden abgehört wurde, am Telefon brüstete: dass er die Aktion zweieinhalb Jahre lang vorbereitet hatte. Wenn das stimmt, heißt das: Der Anschlag von Madrid war geplant, lange bevor der Irakkrieg überhaupt begonnen hatte. Spaniens Unterstützung für Bush wäre dann nur ein willkommener Vorwand gewesen, um der Tat eine politische Botschaft zu verpassen. Europas Staaten waren und bleiben also im Visier der Terroristen – auch die, die keine Truppen im Irak haben.

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