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Fernsehpreis: Zu Recht respektlos

Marcel Reich-Ranicki hat die Jubelfeier des Fernsehens entlarvt. Ihm sei Dank!

Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht. Also herzlichen, ja tief empfun denen Dank an Marcel Reich- Ranicki, der selbst das, was bei der Krönungsmesse des deutschen Fernsehens, beim Deutschen Fernsehpreis, zur Prämierung anstand, als „Blödsinn“ bezeichnet hat.

Was Reich-Ranicki gesagt hat, ist Blödsinn und kein Blödsinn. Wahr ist, dass jeder mit dem Fernsehen verblöden kann. Das gelingt auch mit anderen Medien und selbst mit Büchern, doch mit bestimmten Programmen und Sendern gelingt das frei Haus und frei von Anstrengung. In dem Moment, als das Fernsehen sich mit dem Start der kommerziellen Sender vom Angebots- zum Nachfragemedium wandelte, war jeder einzelne Fernsehzuschauer so wertvoll wie der andere – und Marcel Reich-Ranicki nur einer von Millionen. Jeder Fernsehabend ist eine demokratische Abstimmung über die mentale, emotionale und intellektuelle Verfasstheit dieser Republik. Bei 30 und mehr Programmen streut das Interesse entsprechend breit, es reüssieren Flachshows neben hochgestochenen Fernsehfilmen und eigensinniger Handarbeit. Selbst die Literatur kommt nicht zu kurz. Wer sich vom Fernsehen abwendet, hat nicht mehr und nicht weniger getan, als sich vom Fernsehen abzuwenden. Der hat keine Glanzleistung vollbracht, der war nur zu faul zum Suchen des passenden Angebots.

Marcel Reich-Ranicki hat sich respektlos verhalten, und er hat recht daran getan. Er hat die Jubelfeier mit hunderten Jubelpersern willentlich ruiniert. Dabei hat er sich so gegeben, wie es seine Profession ist – als Kritiker, durch und durch. Und weil Kritik die unersetzliche Voraussetzung jeglichen Fortschritts auf jeglichem Gebiet ist, kann gerade die Inkarnation des Kritikers im Moment seiner beabsichtigten Würdigung mit dem Fernsehpreis nicht schweigen. Ein Kritiker als Weichei? Das geht nun gar nicht, der Standpunkt des Kritikers kann nur heißen: immer dabei, niemals gemein machen.

Die Gewaltigen vom Fernsehen sind erschrocken, als der Mann von 88 Jahren den Fernsehpreis verweigerte und seinem Ärger freien Lauf ließ. Aber sie sind Teflon-Geister, sie werden die eine Stimme der Kritik mit den tagtäglichen Millionenquoten abgleichen und Reich-Ranicki ins Leere laufen lassen. Darauf einen Fernsehpreis!

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