zum Hauptinhalt

Finanzmärkte: (K)ein Durchbruch

Wenn die EU jetzt voranginge, würde sie ein Signal setzen, dass es ihr mit der Bändigung der Finanzmärkte ernst ist. Das würde die Gewinne der Finanzindustrie in der EU erheblich mindern, aber zugleich würde Europa ein krisenfestes Finanzsystem gewinnen.

Und sie bewegen sich doch. Zwölf Jahre nach Gründung der Organisation Attac machten sich die Finanzminister der Euro-Staaten nun die zentrale Forderung der langjährigen Kritiker der entfesselten Geldbranche zu eigen: Künftig wollen die Regierungen der Euro-Zone sich gemeinsam für die Einführung einer Umsatzsteuer auf alle Finanztransaktionen einsetzen. Parallel dazu beschloss der Ministerrat der gesamten EU eine Richtlinie, mit der es in Europa künftig keine unregulierten Schattenbanken mehr geben soll. Hedgefonds und Anlagegesellschaften, die in der EU Kapital aufnehmen, sollen behördlich überwacht und ihre oft destruktiven Marktwetten notfalls beschränkt werden.

Ist das der Durchbruch? Wird nun, wie es der Luxemburger Premier und Vorsitzende der Euro-Gruppe Jean-Claude Juncker versprach, die „Gerechtigkeitslücke geschlossen“, weil „die Menschen das erwarten“? Schön wär’s. Doch entgegen allen Kraftsprüchen der deutschen Kanzlerin und des französischen Präsidenten stellen sich gerade die Regierungen der beiden Führungsmächte Europas gegen die Einführung der Transaktionssteuer allein in der EU, obwohl diese schon bei einem Steuersatz von 0,05 Prozent dringend benötigte 200 Milliarden Euro jährlich in die klammen EU-Staatskassen spülen würde – weit mehr als die von Angela Merkel propagierte Bankenabgabe.

Dabei stützen sich die Verweigerer auf das dümmste denkbare Argument: Weil unter anderen die US-Regierung nicht mitziehe, könnten Fonds und Banken die Steuer durch Ausweichen nach New York und anderswo „umgehen“, behauptet Finanzminister Schäuble. Mit einer EU-Lösung drohten „Wettbewerbsvorteile für Banken, die der Steuer nicht unterliegen“, erklärte auch seine französische Kollegin Lagarde. Dabei war es doch genau diese falsche Logik des Wettbewerbs der „Finanzplätze“ , die überhaupt erst zu jenem verhängnisvollen Wettlauf um die laxesten Aufsichtsregeln und die niedrigsten Steuern für Kapitaleigner führte, in deren Folge Banken mit Milliardensummen gestützt und die Staatshaushalte in die Überschuldung geführt wurden. Würden Schäuble und Lagarde es dagegen wirklich ernst meinen mit der versprochenen „substanziellen Beteiligung“ der Finanzbranche an den Kosten der Krise, dann würden sie die Transaktionssteuer nutzen, um endlich aus der zerstörerischen Mechanik des Staatenwettbewerbs auszubrechen. Anstatt den Steuervermeidern das Wort zu reden, könnten sie all jenen, die der Steuer ausweichen, mit dem Entzug der Zulassung zum EuroMarkt drohen. Schließlich werden auch gewöhnliche Steuerhinterzieher nicht bekämpft, indem der Staat gleich ganz auf die Steuererhebung verzichtet.

Selbst wenn Europas Finanzwirtschaft dabei Marktanteile verlieren würde, wäre das kein Schaden. Im Gegenteil: Wenn die EU jetzt voranginge, würde sie ein Signal setzen, dass es ihr mit der Bändigung der Finanzmärkte ernst ist. Befreit vom Zwang zur ohnehin nicht erreichbaren globalen Vereinheitlichung könnten die EU-Staatenlenker so auch all die anderen nötigen Finanzreformen angehen, von der Begrenzung der Kredithebel bis hin zum Verbot des Handels mit ungedeckten Kreditausfallwechseln, der ohne jeden volkswirtschaftlichen Nutzen nur zusätzliche Risiken schafft. Ja, das würde die Gewinne der Finanzindustrie in der EU erheblich mindern und Banking würde wieder zu dem langweiligen Geschäft, das es einst war, als es nur darum ging, Ersparnisse in Kredite zu verwandeln. Aber zugleich würde Europa ein krisenfestes Finanzsystem gewinnen, mit dem die übrige Wirtschaft wieder prosperieren kann.

Genau das hatten einst auch die Konstrukteure des nach dem Versammlungsort Bretton Woods benannten Systems der Nachkriegszeit im Sinn, als sie den Märkten feste Wechselkurse und eine strenge Kontrolle des Kapitalverkehrs verordneten. Dies bedeute zwar, so schrieb damals der US-Verhandlungsführer Harry Dexter White, „weniger Freiheit für die Besitzer liquiden Kapitals. Aber diese Beschränkung würde im Interesse der Völker ausgeübt“. An dieses Vorbild gilt es anzuknüpfen. Das wäre der Durchbruch.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false