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Das Flüchtlingsheim in Hellersdorf sorgt für Streit in Berlin.

© dpa

Flüchtlinge in Berlin: Gegen das Verlierergefühl

Es ist zu einfach, den Protest gegen das Flüchtlingsheim Hellersdorf auf rechte Aufwiegler zu reduzieren. Die Rechten mobilisieren, aber sie werden auch gehört. Von Menschen, die sich als Verlierer fühlen - und ihre Wut auf die richten, die noch hilfloser sind als sie selbst.

Wenn die Flüchtlinge in Berlin-Hellersdorf aus dem Fenster schauen, blicken sie auf Polizisten. Die sollen ihr Leben schützen, hier, mitten in Deutschland. Wie muss sich das anfühlen? Bisher ist es vor den Türen des neuen Flüchtlingsheims zwar relativ ruhig geblieben, aber niemand weiß, ob in diesem Gemisch aus Angst, Ablehnung und Unsicherheit nicht doch noch etwas Schlimmeres passiert. Auf der Website einer „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ steht, wann genau Flüchtlinge ankommen, obwohl die Behörden das aus Sicherheitsgründen geheim halten wollten. Die NPD plakatiert wochenlang „Nein zum Heim“. Diesen Slogan haben sie beibehalten, auch jetzt, wo hier die ersten Asylbewerber wohnen. Ganz so, als ginge es bei ihren Aufmärschen – zu denen selten mehr als 50 Rechte erscheinen, viele von ihnen angereist mit Bus und Bahn – nur um ein ungeliebtes Gebäude und nicht um Menschen. Dabei wollen sie denen hinter den Fenstern Angst machen. Menschen, deren Geschichte sie gar nicht erst anhören wollen, deren Not sie verleugnen.

Flüchtlingsheim in Hellersdorf: Die Wut richtet sich gegen die Schwachen

Doch es ist zu einfach, den Protest gegen Flüchtlingsheime in Hellersdorf und anderswo auf rechte Aufwiegler zu reduzieren. Die Rechten mobilisieren, aber sie werden auch gehört. Denn sie sprechen Ängste an, die sich von Statistiken nicht beseitigen lassen: dass nämlich die Kriminalität im Umkreis von Heimen laut Polizei nicht steigt, dass es zwar mehr Flüchtlinge sind als in den letzten Jahren, aber das nur ein Bruchteil dessen ist, was Deutschland in den 90er Jahren schulterte.

Was bei den Menschen in der Nachbarschaft hängen bleibt, ist: Uns hat keiner gefragt. Und sie fragen sich: Warum ausgerechnet hier? Asylbewerberheime entstehen nur selten in Gegenden, in denen es den Anwohnern gut geht. Sie entstehen dort, wo große Gebäude leer stehen. Wenn eine Schule, die früher mal Zukunft bedeutete, geschlossen wurde, ist das kein schönes Gefühl für die, die täglich an ihr vorbeilaufen. Wenn die Leute glauben, dass ihr Stadtteil abgehängt wird, soziale Einrichtungen schließen und dann noch „Geld für die da“ ausgegeben wird, bleiben Statistiken blass. Menschen, die sich als Verlierer fühlen, attackieren selten „die da oben“, die ihnen „eh nicht zuhören“. Sie richten ihre Wut auf die, die noch hilfloser sind als sie selbst.

Wenn die Debatte richtig laufen soll, muss sie bei diesem Verlierergefühl ansetzen. Denn unter dem Hass liegt die Angst, fremde Menschen könnten Schaden bringen – dass Immobilienpreise sinken, die Mittagsruhe gestört wird. Veränderung hatte in diesen Vierteln bisher selten ein schönes Gesicht. Die Menschen fragen, was sie von der ganzen Situation haben. Und hier muss ein kleines Wunder gelingen. Denn Flüchtlinge haben ein großes Problem: Sie sind nicht nützlich.

In unserer Gesellschaft wird alles Neue mit Nutzen begründet, auch Migration soll die Wirtschaft ankurbeln. Asylbewerber aber dürfen nicht arbeiten – obwohl sie oft nichts mehr wollen als das. Auch sie wollen nicht in Massenunterkünften leben. Diese Bedingungen können geändert werden: kleinere Gruppen, mehr Möglichkeiten, sich einzubringen. Aber auch dann kann nicht von jedem Traumatisierten gefordert werden, zu funktionieren. Denn darum geht es beim Asyl nicht. Es ist die Bereitschaft, zu helfen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Dazu hat sich Deutschland völkerrechtlich verpflichtet. Das ist eine Herausforderung, die Berlin schaffen muss. Auch im Gespräch mit den Anwohnern.

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