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Flughafen Tegel: Absturz nach Landung

Ein größeres und wichtigeres Projekt als die Neuordnung der Berliner Flughafenlandschaft hat die Stadt seit mehr als zwanzig Jahren nicht gesehen, findet Lorenz Maroldt. Umso verwunderlicher, dass der Senat sich verblüffend wenig darum kümmert.

Die Neuordnung der Berliner Flughafenlandschaft ist das größte und wichtigste Projekt der Stadt seit ihrer Vereinigung vor mehr als zwanzig Jahren. Die künftige Verwendung des bald geräumten Geländes in Tegel spielt dabei eine zentrale Rolle, der Senat hat das Areal pathetisch zum "Zukunftsort" erklärt. Im Koalitionsvertrag wird diese Zukunft unter den Kapiteln "Kraftvolles Berlin" und "Pulsierendes Berlin" beschlossen und verkündet: Neue Technologien, wissenschaftliches Leben, wirtschaftliches Wachstum, regenerative Energien! Cluster, Kompetenz, Strategie!

So sieht es aus, das Feuerwerk politischer Science Fiction. Die Gegenwart ist ärmer, in jeder Hinsicht. Um diesen Zukunftsort kümmern sich, kraftvoll und pulsierend, vier einsame Mitarbeiter der "Tegel Projekt GmbH", untergebracht in einem Büro gegenüber der Flughafentankstelle. Dass Tegel dieses Jahr geschlossen wird, steht seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts fest - das war 2006; gegründet wurde die Gesellschaft vor fünf Monaten.

Zwei Millionen Euro stellt der Senat pro Jahr für die Zukunft Tegels zur Verfügung; das ist weniger als die Hälfte der Kosten, die für den Unterhalt und die Bewachung der leerstehenden Gebäude fällig werden. Eine größere Ausgabe, etwa vierzig Millionen Euro, hat der Senat für die Zeit nach 2017 geplant; das ist weniger als die Hälfte der Kosten für den notwendigen Umbau des Terminals. Der Bebauungsplan für das alte Rollfeld wird 2014 fertig sein, zwei Jahre nach dem Ende, acht Jahre nach dem Beschluss. Aber schon im September 2012 steigt ein schönes Bürgerfest auf dem Gelände, mit Currywurst und Chinapfanne.

Hat sich keiner gemeldet? Ja, wie kann das bloß sein?

Niemand kann dem Regierenden Bürgermeister zum Vorwurf machen, dass die Zukunft seiner kleinen Entwicklungsgesellschaft im Norden der Stadt nicht die Bude einrennt. Und ja, andere hatten es leichter; als München seinen alten Flughafen räumte, stand längst fest, dass dorthin die Messe zieht. Aber so kraftlos, planlos, fantasielos, wie der Senat die Dinge hier laufen lässt, wird aus Tegel ein Skandal, zumal im Kontrast zu den großen Reden, zumal nach dem erschütternden Vorläufer Tempelhof. Wie verkehrt hier im Wortsinn die Haltung ist, zeigt das erklärte Bedauern darüber, dass größere Unternehmen leider noch kein Interesse bekundet hätten. Sorry, hat sich keiner gemeldet? Ja, wie kann denn das bloß sein? Wir sind doch sonst so super und so toll, dass alles wie von selbst geht und sogar Billigtouristen auf Berlin fliegen.

Jetzt sollen erst mal "Zwischennutzer" her, die mit "urbanen Technologien" ihr Geld machen wollen. Derzeit, so ist zu hören, werde an Werbung gearbeitet, "um die Räume für junge Unternehmer unwiderstehlich zu machen". Na dann viel Spaß. Eine einzige Straße führt aufs Gelände und ein Bus, keine U-Bahn, keine S-Bahn; Pläne, das zu verändern: keine. Zwischennutzer produzieren ein typisches Berliner Trendgut - den Eindruck von Dynamik. Dass wertvoll nur die Dynamik selbst ist, nicht aber der Eindruck davon, steht nur im Kleingedruckten; das zu lesen, ist dem Senat offenbar zu mühsam.

Die Wirtschaftssenatorin sieht große Chancen in Tegel, ein riesiges Potential. Aber den Standort will sie "gar nicht politisch" bis ins Detail hinein entwickeln, sondern lieber erst mal eine Ausschreibung für Investoren starten. Mal sehen, was passiert. Und der Regierende Bürgermeister meint, es läuft sowieso alles bestens, "es gibt hier gar keinen Zeitdruck". Da hat er recht, wie immer. Die Zukunft kommt auch in Berlin ganz von selbst.

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