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Meinung: Flunkern – im Namen des Aufschwungs Rot-Grün fehlt selbst die Kraft, das Falsche zu tun

In dieser Woche werden die Steuerschätzer ausrechnen, wie groß die Milliardenlöcher in den Haushalten des Bundes, der Länder, der Städte und Gemeinden wirklich sind. Dann wird Finanzminister Hans Eichel wissen, was er und seine Kabinettskollegen noch sparen müssten, wenn sie das Versprechen noch halbwegs ernst nähmen, die Staatsverschuldung in absehbarer Zukunft unter die Drei-Prozent-Grenze zu drücken.

In dieser Woche werden die Steuerschätzer ausrechnen, wie groß die Milliardenlöcher in den Haushalten des Bundes, der Länder, der Städte und Gemeinden wirklich sind. Dann wird Finanzminister Hans Eichel wissen, was er und seine Kabinettskollegen noch sparen müssten, wenn sie das Versprechen noch halbwegs ernst nähmen, die Staatsverschuldung in absehbarer Zukunft unter die Drei-Prozent-Grenze zu drücken. Wir erinnern uns: Bis zu drei Prozent Neuverschuldung sind für die Länder der Euro-Zone erlaubt. Deutschland wird auch im kommenden Jahr über dieser Grenze liegen, das vierte Mal in Folge.

Was die Vertragstreue seiner Kabinettskollegen und vieler Länder-Ministerpräsidenten angeht, muss sich Hans Eichel keine Sorgen mehr machen. Er ist das letzte Regierungsmitglied, das sich wegen der Neuverschuldung bekümmert. Die anderen tun es nicht mehr. Sie haben das Sparen gründlich satt. Deshalb nennen sie neue Schulden jetzt Zukunftsinvestitionen. Und die finden sie gut. Im Namen des Aufschwungs und der Zukunft neue Schulden zu machen – das hört sich doch auch ganz anständig an, oder?

Falls es irgendjemandem entgangen sein sollte: Die Weltwirtschaft, Europa und auch Deutschland befinden sich mitten in einer wirtschaftlichen Aufschwungphase. Nur in Deutschland fällt der Aufschwung nicht ganz so kräftig aus – ein Problem, dem aber leider nicht mit neuen Schulden beizukommen ist. Um die Schwerfälligkeit und die Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft zu heilen, bräuchte es eine entschlossene, experimentierfreudige und offene Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die aber gibt es nicht. Stattdessen wird die Reformpause ausgerufen. Und es wird so getan, als fehle nur ein bisschen Geld in der Kasse, das sofort wieder hereinkommt, wenn der Aufschwung erst einmal richtig in Deutschland ankommt. Im Namen des Aufschwungs – merkwürdiger ist selten geflunkert worden. Der Mechanismus, neue Milliardenschuldenprogramme einer wunderlichen ökonomischen Erscheinung namens Aufschwung zu widmen, ist ein Zeichen verheerender politischer Schwäche: der Schwäche, sich überhaupt noch für oder gegen etwas zu entscheiden.

Weit und breit ist niemand zu sehen, der sich tatsächlich kraftvoll zu neuen wirtschafts- und finanzpolitischen Erkenntnissen durchgerungen hätte, und nun im besten Glauben anfinge, das Richtige zu tun – oder wenigstens das Falsche. Was wir sehen, ist ein Haufen entnervter Politiker, die keine Lust mehr haben, überhaupt etwas zu tun. Keine Lust zu sparen, keine Lust, etwas für das Land zu tun, keine Lust, nachzudenken.

Das ist schlimm. Schlimmer ist, dass es diesbezüglich in der Opposition kein bisschen besser aussieht. Je stärker die Entscheidungsunfähigkeit, die Lustlosigkeit und die Fantasielosigkeit der Regierung Schröder zu Tage tritt, desto schlimmer wird die Sorge, was sich ändern würde, wenn die Anderen das Ruder übernähmen. Angela Merkels Truppe ist zwar prima gelaunt im Augenblick. Doch der Spaß wäre schnell vorbei, wenn sie regieren müsste.

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