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In Pakistan droht der seit Wochen unter Überschwemmungen leidenden Bevölkerung der Ausbruch von Seuchen.

© AFP

Flutkatastrophe: Pakistan helfen, trotzdem

Die Flut in Pakistan ist nicht nur eine menschliche Tragödie, sondern auch ein sicherheitspolitisches Desaster. Hilfe ist dringend nötig, doch es bleibt ein Dilemma, für Spender und für westliche Staatsführungen.

Will der Westen nicht für die Opfer der Flutkatastrophe in Pakistan spenden, weil Land und Leute mit radikalem Islam, Taliban, Terrorismus und einem korrupten Regime gleichgesetzt werden? Dieser Eindruck konnte in den vergangenen Tagen entstehen, als Hilfsorganisationen das geringe Spendenaufkommen im Vergleich zum Erdbeben in Haiti bemängelten. Das negative politische Image eines Landes, das leider auch nicht den Bonus des beliebten Urlaubsziels hat, spielt hier sicher eine Rolle. Aber dies ist nicht der Grund, dass die westlichen Medien auch erst spät begonnen haben, großflächig über die verheerende Flut im entfernten Pakistan zu berichten. Vielmehr waren uns andere dramatische Ereignisse näher – erst die Toten bei der Loveparade in Duisburg, dann die Brände in Russland, die Überschwemmungen in Ostdeutschland und Osteuropa. Empathie und Medieninteresse wachsen proportional zur geografischen Nähe.

Und es gab bei der Flut nicht auf einen Schlag so viele Tote wie beispielsweise nach dem Erdbeben von 2005, bei dem 80 000 Menschen in Pakistan starben. Daher wird uns allen erst langsam das Ausmaß der Katastrophe in Pakistan bewusst, durch die ein Drittel des Landes betroffen und bis zu 14 Millionen Menschen die Lebensgrundlage entzogen ist. Wenn die Caritas am Freitag melden kann, die Spendenbereitschaft steige stark an, lässt sich hier ein Zusammenhang vermuten. Mehr Bilder und Informationen in den Medien lassen den Geldbeutel doch noch aufspringen – Mitgefühl und Menschlichkeit gibt es also doch unabhängig von Politik und Religion.

Dennoch bleibt ein Dilemma, für Spender und für westliche Staatsführungen. Sie müssen einer korrupten Regierung bei der Hilfe helfen. Einer Regierung, die bisher im Umgang mit Hochwasser und Regenfluten versagt hat. Einem Premier, der auf Weltreise geht, nachdem zu Hause bereits der Notstand ausgebrochen ist. Und sie müssen um jeden Preis versuchen, diese unliebsame Regierung, welche noch immer die Taliban in Afghanistan unterstützt, zu stärken; ihr – nach der Soforthilfe – den raschen Wiederaufbau der Infrastruktur zu ermöglichen.

Denn die Flut ist nicht nur eine menschliche Tragödie, sondern auch ein sicherheitspolitisches Desaster: Die besonders betroffenen Gebiete im Nordwesten des Landes, allesamt Taliban-Hochburgen, sind vorläufig vom Rest des Landes abgeschnitten und damit jeder staatlichen Kontrolle entzogen. Hier werden radikalislamische Hilfsorganisationen punkten und möglicherweise Nachschub für die Taliban rekrutieren. Dem vielbeschworenen Szenario eines „failed state“ ist Pakistan durch die Naturkatastrophe einen großen Schritt nähergekommen.

Der Westen muss der Regierung helfen, denn nicht er, sondern sie steht in direktem Wettstreit mit islamistischen Organisationen. Jeder Pakistani in Not nimmt gerne westliche oder gar amerikanische Hilfe an – aber die Sympathien für die politisch verhassten USA steigen davon nicht dauerhaft. Die demokratische Regierung des Landes muss Präsenz und Stärke zeigen. In der Krise hat dies bisher nur das pakistanische Militär getan, was eine unheilvolle Verschiebung der Machtverhältnisse innerhalb des Staatswesens erahnen lässt. Und die Regierung bekommt noch eine weitere Chance: Den mittel- und langfristigen Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur, der Lebensgrundlage von Millionen Menschen, und der Kommunikationsverbindungen können islamistische Hilfsorganisationen in dem Maße kaum leisten.

Der Westen sollte sich keine Illusionen machen. Seine Hilfe kann den Einfluss der Taliban nicht dauerhaft zurückdrängen. Genauso wenig wird massive Hilfe die Regierung in Islamabad und die Militärs dazu zwingen können, sich eindeutig gegen die Taliban in Afghanistan zu stellen und mit ihren westlichen Verbündeten an einem Strang zu ziehen. Aber der Westen muss sich nicht nur aus Mitgefühl diplomatisch und finanziell stärker engagieren. Er muss verhindern helfen, dass aus der Naturkatastrophe eine politische Katastrophe wird.

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