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Meinung: Frankfurter Buchmesse: Es muss nicht immer Ustinov sein

Haben Sie vielleicht eine Karte übrig", fragte eine Stimme im Gedränge vor der Alten Oper. Zufällig hatte ich - ein Kollege hatte auf das Gala-Konzert zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse verzichtet.

Haben Sie vielleicht eine Karte übrig", fragte eine Stimme im Gedränge vor der Alten Oper. Zufällig hatte ich - ein Kollege hatte auf das Gala-Konzert zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse verzichtet. Doch das polnische Kammerorchester war nicht das Objekt der Sehnsucht des Herrn hinter mir. Er wollte zu Peter Ustinov und Mario Adorf. Das Glück in seinen Augen schwand schnell, als ich ihm das freie Ticket zeigte.

Eine fast unfaire Konkurrenz: mit Peter Ustinov unter einem Theaterdach wetteifern zu müssen. Doch zugleich ein Test für die Attraktivität polnischer Kultur in Deutschland. Was an ihr kann heute anziehend sein? Frankfurt ist nicht irgendeine Messe, sondern die Messe für Bücher. Polen hat zwar gleich zwei lebende Literaturnobelpreisträger aufzubieten, Wyslawa Szymborska und Czeslaw Milosz. Aber keinen Harry Potter. Nirgendwo stehen die Leser Schlange, um ein polnisches Buch zu erwerben. Der Bestseller-Erfolg von Andrzej Szczypiorski, "Die schöne Frau Seidenman", liegt Jahre zurück, und niemand weiß, ob er sich wiederholen lässt.

Überraschend viele Verleger, Buchhändler und Journalisten besuchen die Lesungen mit mehr oder weniger bekannten polnischen Autoren. Aber geht es hier wirklich um Literatur? Oder um das Marketing der Ware Buch - darum, die eigenen Autoren und Neuerscheinungen bekannt zu machen? Die Werbung wird immer aufdringlicher: wie Zigaretten-Reklame. Polen präsentiert sich mit mehr als hundert Neuerscheinungen - gegen eine Konkurrenz von 90 000 anderen. Wieviel Show muss, wieviel Spaß darf sein? Unser Botschafter trägt bei der Eröffnungsfeier mit Witz und Schauspielkunst ein Kindergedicht vor. Leckere Äpfel mit der Aufschrift "G Poland" werden verteilt.

Zurück zur Alten Oper. Das Kammerorchester spielte klassische Musik, auf gewohnt hohem Niveau - das Publikum klatschte höflich. Zum Schluss ein modernes Stück, das Folklore-Elemente der Goralen, der Bewohner der Hohen Tatra, zitiert: voller Leben und Energie - begeisterter Applaus. Es muss nicht immer Ustinov sein.

Die Autorin ist Deutschland-Korrespondentin der größten polnischen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza".

Anna Rubinowicz

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