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Meinung: Franklin-Klinikum: Klinik im Koma

So hatten wir uns das mit der Politik eigentlich nicht vorgestellt: erst beschließen, dann denken - aber nur Gedanken zulassen, die den Beschluss nicht in Frage stellen. Genau so scheint die rot-rote Koalition in Berlin bei der Schließung des FU-Klinikums Benjamin Franklin vorzugehen.

So hatten wir uns das mit der Politik eigentlich nicht vorgestellt: erst beschließen, dann denken - aber nur Gedanken zulassen, die den Beschluss nicht in Frage stellen. Genau so scheint die rot-rote Koalition in Berlin bei der Schließung des FU-Klinikums Benjamin Franklin vorzugehen. Eine Expertenkommission soll noch mal ran, aber nur eine, die nach den Vorgaben der Politik agiert: Sie darf den Prozess "begleiten". Eine unabhängige, ergebnisoffene Kommission lehnt der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ab. Die Koalition, so sieht es aus, will ihren Beschluss nachträglich legitimieren lassen, ohne Wenn und Aber.

Doch kann man das überhaupt noch sagen: die Koalition? Immer verlassener steht der Regierende Bürgermeister da; in den Reihen der SPD wächst die Zahl derer, die Widerworte wagen; auch die PDS nimmt vorsichtig Abstand, ihnen voran der zuständige Senator Thomas Flierl. Langsam wird es kurios: Die Partei des Ostens bietet sich als mögliche Retterin des West-Klinikums an. Schnell scheint einzutreten, wovor viele die Sozialdemokraten warnten: Die rot-rote Koalition wird nur einen Gewinner haben - die PDS. Offene Unterstützung findet Wowereit gerade noch beim Verwaltungsleiter der Franklin-Konkurrenz Charité, der ihm auch die Bausteine seiner Reden schreibt. Schon wird gemunkelt, Wowereit könnte nach dem Fehlstart gleich an der ersten Hürde hängen bleiben.

So hatten wir uns Politik also nicht vorgestellt. Wir sind ja auch ein bisschen naiv. Was wäre wohl geschehen, wenn die Koalition die "richtige" Reihenfolge eingehalten hätte? Erstmal das, was immer geschieht, wenn die Politik sich drückt und nach Experten ruft: nichts. Aber genau das kann sich die Stadt nicht mehr leisten. Die Berliner Hochschulmedizin ist gut, in manchem sogar sehr gut. Aber sie ist nicht optimal - und zu teuer. Niemand, der sich auskennt, wird das bestreiten. Gehandelt werden musste.

Dass Wowereit jetzt ein Problem hat, liegt nicht an dem Beschluss selbst, sondern am Missmanagement danach. Er hat - Basta! - auf jeden Zwischenton verzichtet und die immunschwache Koalition einer Konfrontation ausgesetzt, die auf Sieg oder Kapitulation hinausläuft: Klinik schließen - oder Untergang. Falls jetzt aber doch noch eine Operation gelänge, die dem Land die Einsparungen bringt und der Freien Universität das Klinikum erhält, wird es Wowereit schwer haben, nicht als Verlierer dazustehen.

Die Fraktionen von SPD und PDS spüren das und suchen einen Ausweg, vor dem nicht schon mit breiten Armen Wowereit steht. Weit sind sie nicht gekommen. In den Antrag der Koalition verirrte sich ein klitzekleines Wennchen, eine Wendung für semantische Feinschmecker: Sollten die Experten, die den "Umstrukturierungsprozess" begleiten, Alternativen aufzeigen können, die "zu effektiveren Strukturen" führen, werden diese in den Gesetzgebungsprozess "einbezogen". Gefordert wird also innerhalb enger Vorgaben eine geniale Idee, die mehr Geld als die Schließung bringt. Eine Garantie für irgendetwas ist aber selbst das nicht.

Der Senat hätte die unkoordiniert vor sich hindämmernden Universitäten mit sanftem, aber energischem Druck dazu bringen können, selbst mal ein bisschen genial zu sein auf ihrem großen Campus. Aber diese Chance wurde vertan. Wowereit versetzte lieber erstmal das Klinikum in ein künstliches Koma, aus dem es kein Erwachen mehr gibt. Jedenfalls keines ohne bleibende Schäden.

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