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Frankreich: Revolte gegen Sarkozy

Wenn in diesen Tagen Frankreichs Lastwagenfahrer Autobahnen blockieren und Streikende die Benzinzufuhr der Tankstellen unterbrechen, dann hat das nur begrenzt mit der Rentenreform zu tun. Die ist zwar unbeliebt. Aber noch unbeliebter ist Präsident Sarkozy selbst.

Die Franzosen sind ein sonderbares Volk. Sie haben nichts dagegen, wenn ihre Politiker mit einer uneingeschränkten Machtfülle herrschen. Vor mehr als drei Jahren haben sie Nicolas Sarkozy zum Präsidenten gewählt und gaben ihm auch gleich eine satte konservative Parlamentsmehrheit mit dazu. Doch von Zeit zu Zeit erschüttert das Volk die Macht ihrer Wahlmonarchen im Élysée-Palast. Jetzt herrscht wieder einmal Revolutionsstimmung in Frankreich.

Auch wenn der deutsche Blick auf diesen heißen französischen Herbst gelegentlich durch Barrikaden-Romantik verklärt wird, so werden wohl die meisten Menschen hierzulande nur ungläubig den Kopf schütteln. Sarkozy will das Renteneintrittsalter von 60 auf 62 Jahre heraufsetzen – na und? Schließlich ist die Rente mit 67 bei uns längst beschlossene Sache. Der Reformdruck ist angesichts einer alternden Gesellschaft in Deutschland und Frankreich ungefähr der gleiche, selbst wenn – diesen demografischen Vorteil haben die Bewohner Frankreichs immerhin – auf der anderen Seite des Rheins mehr Kinder geboren werden als bei uns.

Dies ändert aber insgesamt nichts daran, dass Sarkozy angesichts des Protests, der ihm gerade auf der letzten gesetzgeberischen Wegstrecke des Reformprojekts entgegentritt, hart bleiben muss. Die Anhebung des Renteneintrittsalters ist seit über einem Jahrzehnt überfällig. Gelingt es dem Präsidenten, die Gesetzesänderung in dieser Woche durch den Senat zu bringen und gleichzeitig einen Volksaufstand zu vermeiden, wäre dies auch das Zeichen eines echten Neuanfangs. Die Bändigung der französischen Gewerkschaften – kann Präsident Sarkozy sie bewerkstelligen, steht er ähnlich gestärkt da wie die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher Mitte der achtziger Jahre. Die Eiserne Lady gewann damals einen entscheidenden Machtkampf mit den Bergarbeitern und zerstörte damit die Blockademacht der Gewerkschaften auf der Insel.

Allerdings hat Sarkozy ein Problem: Wenn in diesen Tagen Frankreichs Lastwagenfahrer Autobahnen blockieren und Streikende die Benzinzufuhr der Tankstellen unterbrechen, dann hat das nur begrenzt mit der Rentenreform zu tun. Die ist zwar unbeliebt. Aber noch unbeliebter ist Sarkozy selbst. In dem gegenwärtigen Protest bündelt sich alles, was sich bei den Franzosen in den vergangenen Monaten an Enttäuschung über ihren Staatschef angestaut hat. Mit der Wirtschaft geht es nur schleppend bergauf, an der Misere der Jugendarbeitslosigkeit hat sich nichts geändert, und dann bürdet der Präsident seinen eigenen Landsleuten außerdem noch einen Sparkurs nach deutschem Vorbild auf. Vielleicht würden viele Franzosen ihre Wut über die materiellen Einschränkungen ja gerade noch unterdrücken, wäre nicht spätestens seit der Parteispendenaffäre um die greise Milliardärin Liliane Bettencourt das selbst in der Regierungspartei UMP spürbare Gefühl, es mit einem Staatschef zu tun zu haben, der die Bodenhaftung verloren hat.

Geht es nach Nicolas Sarkozy, sollen die Proteste am Ende der Woche mit Beginn der Herbstferien wieder abflauen. Im November übernimmt er dann die Präsidentschaft der G 20, der Gruppe der 20 wichtigsten Industriestaaten. Das dürfte seinem Image guttun. Es ist ein durchdachter Plan – und er könnte gründlich schiefgehen. Wenn sie wollen, dann können die Franzosen, die den Naturwissenschaftler René Descartes hervorgebracht haben, sehr rational sein. Nur haben sie auch die Guillotine erfunden.

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