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Mal dir deinen Papst: In Neapel bemalt der Künstler Genny Di Virgilio, der auf Krippenfiguren spezialisiert ist, eine Franziskus-Figur.

© AFP

Franziskus: Der Papst der Projektionen

Mit der Wahl seines Namens stellt sich der neue Papst in die Tradition des Franz von Assisi, der Gerechtigkeit für die Armen forderte. Mit den Hedgefondsmanagern dieser Welt wird es der Papst nicht aufnehmen können. Dennoch werden ihm die Hoffnungen entgegengetragen.

Von Caroline Fetscher

Am Anfang steht hier ein starkes Zeichen. Der Papst wurde gewählt, und der Papst wählte sich einen Namen. Nicht irgendeinen! Jorge Mario Bergoglio betrat den Balkon des Vatikans wie der Weltbühne unter einem Namen, den kein Kirchenfürst vor ihm je getragen hat. Er heißt jetzt Franziskus, und darin liegt Verheißung.
Dass Bergoglio, bisheriger Erzbischof von Buenos Aires, Opern und Shakespeare liebt, ist dieser Tage zu erfahren, dass er gern Tango getanzt hat und ein Fan des Fußballclubs San Lorenzo de Almagro ist. Mehr als alles andere allerdings ist die Öffentlichkeit betört von der programmatisch wirkenden Namenswahl in der Nachfolge jenes Heiligen Franziskus, der für die Armen Gerechtigkeit forderte. So suggestiv wirkt der Name, als sei darin ein heimlich-offenes Signal verborgen, vorbeigeschmuggelt an den verdutzten Kardinälen. Hatte die Kurie, am intensivsten mit Papst Wojtyla, ihren Kalten Krieg gegen den Kommunismus ausgetragen, wird es dann womöglich dieser Papst mit dem Gespenst des Kapitalismus aufnehmen? Ist uns da ein Attac-Papst erschienen? Ein wahrer Erlöser der Verdammten dieser Erde?

Sein Leitmotiv bezog der Ordensgründer Franziskus vor fast tausend Jahren aus einem Jesuswort: „Willst du vollkommen sein, so geh’ hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen.“ Zwei Verse weiter steht: „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme.“ Zum Meditieren zog sich der Heilige Franziskus gern auf den Monte Subasio bei Assisi zurück, in eine Grotte an einer Waldschlucht. Dort zeigt man Pilgern und Besuchern heute noch den uralten Baum, auf dessen Ästen einst die Vögel hockten, denen der Heilige gepredigt haben soll.

Papst Franziskus legte sich als Erzbischof Bergoglio mit den geldgierigen Eliten seines Landes an, er forderte bessere Bildung für Unterprivilegierte und wetterte wider Korruption, Egoismus, Ressentiments und Gewalt. Kaum etwas liegt weiter entfernt von der prunkvollen „gated community“ des Vatikans als die karge Grotte des Franziskus oder die stinkenden Slums der lateinamerikanischen Metropolen. Wie er sich für die Massen der Armen einsetzte, so bat der neue Pontifex am Mittwochabend zuerst die Massen auf dem Platz um ihr Gebet für ihn.

Bergoglio, der sich als Franziskus neu erfunden hat, mutiert nun zum Hoffnungsträger. Aber nicht er trägt die Hoffnung der Massen, vielmehr werden massenhaft Hoffnungen zu ihm getragen, Gläubige wie Nichtgläubige auf allen Kontinenten projizieren ihre Sehnsüchte auf ihn und beweisen, wie stark in der zersplitterten globalen Sphäre der Wunsch nach einer väterlich gerechten Symbolgestalt ist, nach einem Anwalt der Millionen, nicht der Millionäre.

Einen Revolutionär wird der Mann, der vehement gegen Homoehe und Abtreibung eintritt, gleichwohl nicht abgeben. Gegen das Sodom und Gomorrha der Hedgefonds-Spekulanten und den Wahnsinn der elektronischen Finanzströme wird auch ein Papst Franziskus kaum viel aufbieten können. Vielleicht gelingt ihm jedoch zumindest so etwas wie die Vertreibung der Händler aus dem Tempel, indem er mit den Skandalen um die Banca del Vaticano aufräumt, Intrigen im Innern des autoritären Staatsgebildes Vatikan vereitelt und die Pädokriminellen im System zur Rechenschaft zieht. Vielleicht auch weckt der argentinische Jesuit Franziskus bei einigen Reichen das Gewissen oder die Angst vor dem Nadelöhr. Das wäre schon eine Menge.

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