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Blondes Gift und Nixe: Scarlett Johansson in "Hail Caesar!"

© Universal Pictures/dpa

Frauentag: Das Patriarchat in den Köpfen

Frauen erobern sich Stück um Stück ihren Anteil an der Wirklichkeit. Die Produktion von Geschlechterklischees geht unterdessen weiter. Anmerkungen zum Frauentag.

Der Film, der dieses Jahr die Berlinale eröffnete, ist eine großartige und manchmal wunderbar subtile Komödie, eine Persiflage auf das Hollywood der frühen 1950er Jahre. Ein Kunststück, wie die Brüder Coen in "Hail Caesar!" die damalige Produktion der Traumfabrik, die Western, Bibel-Schinken und Aqua-Musicals, ironisch übertreiben, sich distanzieren und sie zugleich so perfekt neuinszenieren, dass wir Heutigen noch einmal Spaß haben wie einst unsere Eltern und Großeltern, am Kitsch wie an den perfekten Choreografien von damals.

Göttinnen ohne Handlungsauftrag

Nur die Rolle der Frauen irritiert. Sie sind perfekte Sekretärin, alles verstehende Ehefrau, kurvige blonde Nixe und Nervensäge. Göttinnen wie Tilda Swinton und Frances McDormand haben Auftritte größer als die Leinwand – Handelnde sind sie trotzdem nicht, anders als selbst der naive und talentarme junge Westernheld. Selbst so einer darf den entscheidenden Tipp zur Lösung der Rahmenhandlung geben und den entführten Filmstar befreien. Klar, so war die Welt damals, sagt uns der Film. War sie’s denn’s, war sie nur so? Und was sagt uns allein die Entscheidung, einen Nachkriegs-Kostümfilm zu drehen? Schon beim Anschauen der ebenfalls hinreißenden Serie „Mad men“, die unter New Yorker Werbern der 1960er Jahre spielte, konnte man sich fragen, ob man sich erleichtert im Sessel zurücklehnen sollte angesichts des Fortschritts der Geschlechterbeziehungen seit damals. Oder ob die Kamera da nicht auch Wehmut führte nach Verhältnissen, die es so nicht mehr gibt.

Immer mehr Frauen in der Wirklichkeit, aber nicht in den Köpfen

Was nebenbei nicht daran hindert, sie sich weiter zurechtzuinszenieren. Das Institut, das die Hollywood-Schauspielerin Geena Davis gründete, um die Lage der Frauen in der Filmindustrie kritisch zu beleuchten, stellte in seiner letzten Studie über die zehn größten Filmländer fest, dass nur ein Zehntel der Produktionen Frauen wie Männer gleichrangig besetzten. Frankreich produzierte demnach zwischen 2010 und 2013 nicht einen einzigen Film mit einer weiblichen Hauptrolle. In den letzten 50 Jahren, resümieren die Autorinnen der Studie, habe sich kaum etwas verändert.
In der Wirklichkeit ist zum ersten Mal eine Frau nicht nur Bewerberin innerhalb ihrer Partei, sondern ziemlich sicher auch Kandidatin für das Präsidentenamt der USA. Deutschland wird seit mehr als zehn Jahren von einer Frau regiert und der Landtagswahlkampf in Rheinland-Pfalz ist aktuell eine reine Frauenkonkurrenz – die, endlich, kaum noch als solche kommentiert wird. So wie sich die Wirtschaftsberichterstattung an Konzernchefinnen und Aufsichtsbehördenleiterinnen so weit gewöhnt hat, dass nicht mehr stets ein „Oh, eine Frau“ zwischen den Zeilen steht, wenn sie auf den Wirtschaftsseiten auftauchen.

Altherrenfantasien

Bleibt die Frage, was stärker wirkt, die tatsächlich gewachsene und weiter wachsende Rolle von Frauen oder die Bilder, die uns die Kulturproduktion in die Köpfe pflanzt. Übrigens nicht nur der Filmindustrie. Im Milan Kunderas letztes Jahr erschienenem Roman sind, wie in den früheren, Frauen nicht Personen, sondern Körper. Der letzte Roman des im Februar verstorbenen Umberto Eco war eine fast reine Männerparade, die einzige Frauenrolle ertränkte der Autor in Klischees mindestens der fünfziger Jahre. Frau zögert kurz, bevor sie das als Fantasien einzelner Herren über 80 abtut. Das Buch von Eco, der vor wenigen Wochen starb, war immerhin das letzte eines wichtigen europäischen Intellektuellen und (sonst) originellen, vielseitigen und neugierigen Gelehrten. Die Autoren, die da, wie ein alter Spott der Frauenbewegung lautete, „viel gesehen, nichts kapiert“ haben, sind nun einmal monstres sacrés, Autoritäten.

Das Kulturerbe ist männlich

Frauen - und Männer -, die mit einem aufgeklärten Blick auf die Geschlechterfrage gegenhalten, sind in dieser Kategorie noch immer zu selten. Vom Ballast eines männerzentrierten Kulturerbes ganz zu schweigen.
Auch wenn die wachsende Zahl von Regisseurinnen, Theaterchefinnen, Schriftstellerinnen Hoffnung macht, dass sie irgendwann in die Ränge der Bestimmerinnen aufrücken und sie mindestens zur Hälfte füllen können, selbst wenn Wirtschaft und Politik einmal gleichberechtigt gelenkt werden: Männer wie Frauen werden noch lange Bücher lesen und Filme sehen, in denen Frauen nur Fleisch, Deko, dumm, macht- und sprachlos sind. Ihr Bild der Welt wird das (mit-)formen. Das Patriarchat steckt eben in den Machtverhältnissen wie in den Köpfen. Ein Tipp zum Weltfrauentag morgen: Gehen Sie doch mal wieder ins Kino. Oder in die Buchhandlung Ihres Vertrauens.

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