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Meinung: Freie Bahn für Porsche

Das VW-Gesetz wird wohl fallen – dann erobern Wiedeking und Piëch Wolfsburg

Wer das Geld hat, der hat das Sagen. So sind die Verhältnisse im Kapitalismus. Wenn Porsche 27,5 Prozent der Anteile an VW besitzt, aber der Einfluss auf 20 Prozent beschränkt ist, dann ärgert das Porsche. Und auch die EU-Kommission, weil sie die Freiheit des Kapitalverkehrs eingeschränkt sieht. Doch ist die freie Bahn fürs Kapital wichtiger als der Arbeitnehmerschutz? VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh sieht in dem EU-Verfahren gegen das VW-Gesetz einen „Angriff gegen die Belegschaft“. Alle Lebensbereiche würden auch in der EU dem „neoliberalen Mainstream“ untergeordnet. Statt europäisches Sozialmodell also Turbokapitalismus made in Brüssel?

Als 1960 Volkswagen teilprivatisiert wurde, war dem viel Krach zwischen Bund und Land Niedersachsen, Unternehmen und Belegschaft beziehungsweise der IG Metall vorausgegangen. Landespolitiker und Betriebsrat wollten aus Volkswagen eine öffentlich-rechtliche Stiftung machen, eine Art Volksunternehmen. Sie setzten sich nicht durch. In einer ersten Tranche wurden 60 Prozent von VW verkauft, 40 Prozent blieben zunächst bei Bund und Land. Und die Politik schuf zur Besänftigung das VW-Gesetz: Kein Aktionär sollte mehr als 20 Prozent der Stimmrechte ausüben, auch wenn er mehr Anteile hat. Diese Sperrminorität sicherte Niedersachsen bis vor kurzem eine hervorgehobene Position, denn anders als der Bund hat das Land seine Anteile nicht verkauft, sondern besitzt heute noch gut 20 Prozent.

Doch Porsche hat mehr – und noch lange nicht genug. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking will auch die VW-Satzung reformieren und die dortigen Beschränkungen streichen. Schließlich möchte Wiedeking das Entsendungsrecht ändern, wonach dem Land Niedersachsen gestattet ist, zwei Vertreter in den VW-Aufsichtsrat zu schicken. Stattdessen sollen sich auch die Niedersachsen von der VW-Hauptversammlung wählen lassen – für VW-Aufsichtsratschef und Porsche-Miteigentümer Ferdinand Piëch wäre das ein Hochgenuss, wenn er seinem Widersacher Christian Wulff so den Weg in den Aufsichtsrat verstellen könnte. Auch IG-Metall-Chef Jürgen Peters, der jetzt gemeinsam mit Osterloh gegen die EU–Kommission schimpft, steht in dem Machtspiel an der Seite von Piëch/Wiedeking, den Gegnern des VW- Gesetzes.

Das Gesetz wird fallen, weil es gegen EU-Recht verstößt. Profitieren werden die Investoren, also Porsche und Piëch, verlieren werden nicht zwangsläufig die Arbeitnehmer. Denn an der paritätischen Mitbestimmung ändert sich nichts. Trotz aller Skandale auch nichts an dem besonderen Miteinander von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Wolfsburg. Die Verhältnisse im mitbestimmten Kapitalismus sind so schlecht nicht.

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