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Meinung: Freunde verhandeln nichts

Arafat und Scharon müssen als Feinde Frieden schaffen

Es wird wieder geschossen – von beiden Seiten – im unendlich scheinenden israelisch-palästinensischen Konflikt. Dem mörderischen palästinensischen Hinterhalt im Westjordanland und dem Furcht erregenden Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen folgten gleich mehrere, teils tödliche israelische Luftangriffe: Eine neue Eskalation der Gewalt, der beide Konfliktparteien angeblich Einhalt gebieten wollen.

In Wirklichkeit sind weder die palästinensische Führung noch die israelische Regierung gesprächsbereit. Jassir Arafat, weil er nach wie vor glaubt, mit militärischen Mitteln, also Terror, seine politischen Ziele zu erreichen oder ihnen zumindest näher zu kommen. Ariel Scharon, weil er schon immer alle politischen Probleme mit militärischen Mitteln, also durch massive Armeeeinsätze, lösen wollte – beziehungsweise die Gegenseite militärisch so sehr schwächen will, dass sie sich seinem politischen Diktat unterwirft. Weder der eine noch der andere sieht nach drei Jahren mörderischer Intifada in der jeweiligen Gegenseite einen Partner für Verhandlungen, nicht einmal einen politischen Gegner, sondern nur einen gewaltsam zu bekämpfenden Feind. Dabei haben das „Genfer Dokument“, der detaillierte Vorschlag für einen Friedensvertrag, und die vorangehenden langwierigen, aber erfolgreichen Verhandlungen gerade jetzt wieder aufgezeigt, dass Partner auf beiden Seiten vorhanden sind; Partner, die bereit sind, über ihren eigenen Schatten zu springen und der Gegenseite Konzessionen zu machen, die sie selbst noch zu Gesprächsbeginn als unrealistisch gewertet hatten. Jassir Arafats fintenreiche Ablehnung des Genfer Dokuments, kommt einer Zustimmung gleich, wenn man sie nur positiv interpretiert.

Sie ist letztlich deshalb irrelevant, weil er allein seine Antwort so auslegen wird, wie es ihm zum gegebenen Zeitpunkt gerade passt. Anders muss die wütende, in ihrem Zorn und ihren Formulierungen überbordende Reaktion Ariel Scharons und seiner Regierung verstanden werden. Israels nationalistischste Regierung aller Zeiten – bei der Scharon oft das (relativ) mäßigende Element darstellt – wurde von den Verhandlungen, deren hervorragendem Ergebnis und von der Reaktion der eigenen Öffentlichkeit vollkommen überrascht: dass bis zu 40 Prozent der Wähler das Genfer Dokument akzeptieren. Ganz offensichtlich ist vielen bisherigen Likud-Anhängern plötzlich klar geworden, dass ihre eigene Regierung sie nicht nur wirtschaftlich auf den Abgrund zutreibt und sie zu im doppelten Wortsinn hilflosen Sozialfällen werden lässt – während gerade wieder Unsummen für die Siedler rausgeworfen werden. Sondern dass sie sich durch Scharons Versprechen, nur er könne Sicherheit und Frieden bringen, als Stimmvolk haben kaufen lassen. Scharon hat nun versucht, vor den nächstwöchigen Kommunalwahlen das Ruder im letzten Augenblick herumzureißen.

Die rüden Attacken auf die israelischen Unterhändler des Genfer Dokumentes sind eingestellt worden. Kamen sie doch dem indirekten Nachweis gleich, dass es entgegen Scharons Behauptungen doch sehr wohl palästinensische Gesprächspartner gibt. Und der Krieg gegen Hamas und andere radikale Gruppierungen ist seit gestern wieder erheblich intensiviert worden. Er wird palästinensische Racheakte auslösen, die wiederum Scharons Thesen doppelt bestätigen sollen: Erstens, dass es auf der Gegenseite nur Terroristen, aber keine Partner für Verhandlungen gebe. Zweitens, dass, solange sie Gewaltakte verübe, nicht mit ihr verhandelt werden dürfe. Frieden, so muss man angesichts der Verbohrtheit von Scharon und Arafat betonen, wird aber nicht zwischen Freunden, sondern zwischen Feinden geschlossen – auch wenn „unter Feuer“ verhandelt werden muss.

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