zum Hauptinhalt

Meinung: Friede, der sich nicht zwingen lässt

Die Auslandsmissionen der Bundeswehr können scheitern – aber sie sind alternativlos

Am 30. Juli soll im Kongo zum ersten Mal frei gewählt werden. Die Europäische Union wird, auf Bitten der UN, mit einer 2000 Soldaten umfassenden Truppe die Auszählung der Stimmen absichern. Die Führung des Kontingents liegt bei der Bundeswehr, der fast 800 Frauen und Männer der Kongokräfte angehören. In Afghanistan sind 2700 deutsche Soldaten Teil einer internationalen Streitmacht, 2600 befinden sich permanent im Kosovo-Einsatz. Da die Kräfte zwischen Einsatz- und Erholungsphasen rotieren, sind de facto drei Mal so viele Menschen betroffen.

Was EU, Nato oder UN von den Missionen erwarten, lässt sich – harmlos – mit peace keeping, Frieden bewahren, übersetzen. In der Regel aber, und das gilt für Afghanistan wie Kosovo und Kongo, geht es um weit mehr, nämlich um nation building, den Aufbau von funktionsfähigen Staaten, oder zumindest darum, deren Scheitern zu verhindern. Als failed states bezeichnet die Staatengemeinschaft Länder, in denen es keine staatlichen Autoritäten mehr gibt. Auf einer Liste dieser verlorenen Staaten steht Somalia auf Platz sieben – Kongo auf Platz zwei.

Jede der genannten Missionen wird sich noch lange hinziehen. An eine Rückkehr des EU-Kontingentes aus dem Kongo zum Jahresende glaubt vermutlich nicht einmal der notorisch optimistische Verteidigungsminister. Was aber viel schlimmer ist: Die Aufgaben in Afghanistan und im Kongo drohen zu scheitern, weil sich hinter jedem gelösten Problem neue, weit größere auftürmen.

Beispiel Afghanistan: Die Befriedung des Landes und das Zurückdrängen der Taliban stoßen an Grenzen, weil die westlichen Soldaten gleichzeitig den Schlafmohnanbau verhindern sollen. Von dem aber leben die Bauern. Die Internationale Schutztruppe, Isaf, kann ihnen keine einträglichen Alternativen aufzeigen. Die Folge: Bauern, die um ihre Existenz fürchten, kooperieren nicht mehr, die Anschläge auf Isaf-Soldaten häufen sich. Die Bundeswehr ist mit einer Aufgabe überfordert, für die die GTZ, die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, viel besser geeignet wäre, wie sie an zahlreichen Beispielen in Afrika und Südamerika demonstriert. Die GTZ kann aber nur eingesetzt werden, wo nicht geschossen wird. Ein schier unlösbares Dilemma.

Beispiel Balkan: Die Serben, die den Bürgerkrieg auslösten, haben ihn zwar verloren, sind aber nicht geschlagen. Sie weigern sich deshalb, alte Dominanzansprüche aufzugeben. Die von ihnen einst Unterdrückten sinnen auf Rache und auf weitere Separation. Kein internationales Kontingent kann auf diesem Schutthaufen der Geschichte einen friedlichen Aufbau garantieren. Die Alternative? Afghanistan und den Balkan sich selbst überlassen? Neue Massaker und Massenfluchten wären die Folge. Zur Politik des nation building existiert keine Alternative. Es gibt nur die Hoffnung, dass die Betroffenen das selbst begreifen.

Gerd Appenzeller

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false